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"Bei uns passiert nie das, was im Burgtheater praktiziert wurde"

Von Peter Grubmüller, 18. Juli 2015, 00:04 Uhr
"Bei uns passiert nie das, was im Burgtheater praktiziert wurde"
Ab Sonntag lässt sich „Jedermann“ Cornelius Obonya wieder von seiner „Buhlschaft“ (Brigitte Hobmeier) bezirzen. Bild: APA

Helga Rabl-Stadler ist seit 20 Jahren Präsidentin der Salzburger Festspiele Am Sonntag beginnt der Festival-Sommer mit der Premiere des "Jedermann".

Es ist ein kultureller und wirtschaftlicher Koloss, dem Helga Rabl-Stadler seit 1995 vorsteht. Die Salzburger Festspiele sind heuer mit einem Budget von 59 Millionen Euro ausgestattet, am Sonntag steigt die "Jedermann"-Premiere, die Festspiel-Eröffnung findet am 26. Juli statt. Im OÖN-Interview spricht die 67-Jährige über die Grätsche zwischen Kunst und Ökonomie und über den kulturellen Auftrag in Zeiten von Krisen.

 

OÖNachrichten: Beim Programm bekommt man den Eindruck, als würden sich die Festspiele heuer gesundsparen?

Helga Rabl-Stadler: Protest! Protest! Wir haben mit "Fidelio", "Figaro" und mit der "Eroberung von Mexiko" drei Neuinszenierungen, außerdem vier Wiederaufnahmen vom Publikum geschätzter Produktionen: "Norma", "Der Rosenkavalier", "Il trovatore" und von den Pfingstfestspielen "Iphigenie auf Tauris". Das heißt, wir kehren zur guten alten Praxis aus der Zeit vor Alexander Pereira (2012–2014 Festspiel-Intendant, jetzt Chef der Mailänder Scala, Anm.) zurück, eine Mischung aus Wiederaufnahmen und Neuinszenierungen. Das ist künstlerisch und ökonomisch sinnvoll: künstlerisch, weil ich keine Produktion kenne, die durch eine Wiederaufnahme schlechter geworden ist. Ich finde es auch schade, wenn eine Oper, die sechs Wochen geprobt wurde, nach fünf Vorstellungen einfach weg ist. Und eines noch: Die vier Prozent weniger Karten (11.000 auf heuer insgesamt 225.000 Karten, Anm.), die wir aufgelegt haben, sind das Ergebnis des Wegfalls des "Young Directors Project". Das konnten wir uns nur zusammen mit einem Sponsor leisten. Der neue Chef von Montblanc ist ein Sportfreund und das Unternehmen hat sich abrupt aus der Kultur zurückgezogen. Da mussten wir auf dieses Projekt verzichten.

Das Publikum rennt Ihnen vor allem bei Wiederaufnahmen in der Oper die Türen ein. Lässt das den Schluss zu, dass dem Publikum künstlerische Innovation und Neugestaltung egal ist?

Nein, darum ging es in unserer Programmierung auch nicht – wir wollen ja Neuproduktionen, bloß nicht um jeden Preis. Die ersten drei Opern, die heuer ausverkauft waren, sind die Wiederaufnahmen "Norma" und "Il trovatore" sowie die "Fidelio"-Neuinszenierung. Da kommt dazu, dass Cecilia Bartoli in der "Norma" und Anna Netrebko im "Trovatore" so große Fanclubs haben, dass sich die Häuser schon alleine deshalb füllen. In seiner Eröffnungsrede 2002 hat Peter Ruzicka gesagt, er wünscht sich vom Publikum mehr Neugier als Altgier. Dieser Wunsch ist aufgegangen. Wenn die erste und die letzte Vorstellung von Wolfgang Rihms "Die Eroberung von Mexiko" fast ausverkauft sind, dann ist das ein schöner Erfolg.

Sie sind Präsidentin und kaufmännisch verantwortlich, zusammen mit Sven-Eric Bechtolf bilden Sie das Direktorium. Wie kommen Sie beide beim Ringen um Geld und künstlerischen Anspruch miteinander aus?

Ganz ausgezeichnet, jeder macht das, was er am besten kann. Wir haben sowohl das Programm 2015 als auch das schwierige von 2016 ohne Schreiduelle zustande gebracht. Schon Gérard Mortier (1943–2014, von 1991 bis 2001 Intendant der Festspiele, Anm.) hat erkannt, wenn er seine künstlerischen Ideen durchsetzen will, braucht er privates Geld. Es war ihm auch klar, dass ich dafür ein Händchen habe. Ein Intendant muss mithelfen, Sponsoren für ein Projekt zu begeistern. Neben seinen anderen Qualitäten wird Markus Hinterhäuser (Festspiel-Intendant ab 2016, Anm.) auch in diesem Punkt besonders gut sein.

Warum war das 2016er-Programm so schwierig?

Das hängt mit der Bilanzierung zusammen. 2014 konnte Pereira die Kosten von "Il trovatore", "Don Giovanni" und "Rosenkavalier" auf 2015 und 2016 aufteilen, weil wir diese Produktionen da wieder aufnehmen. Das brachte ihm einen Vorteil von 700.000 Euro. Dass Hinterhäuser verständlicherweise nichts vom Programm 2016 in seine erste Saison 2017 übernimmt, belastet Bechtolfs Budget mit 500.000 Euro. Aber Achtung, damit ich nicht falsch verstanden werde, bei uns passiert nie das, was einst im Burgtheater praktiziert wurde. Bei uns wird das System der Abschreibungen selbstverständlich nur dann angewandt, wenn Produktionen mehr als ein Jahr gespielt werden.

Wie fühlen Sie sich finanziell von der öffentlichen Hand behandelt und wie hat sich die Sponsorensituation verändert?

Wir haben bis 2014 die Kosten mit einer seit 1998 unveränderten Subvention bestritten. In unserem Betrieb sind 80 Prozent der Ausgaben Personalkosten, man kann sich vorstellen, wie uns so etwas auffrisst. Jetzt hat man uns erfreulicherweise garantiert, dass wir bis 2017 statt 13,5 Millionen nun 16 Millionen Euro bekommen. Pereira hat 2014 geglaubt, dass er von Sponsoren 14 Millionen Euro bekommt, am Ende waren es zehn Millionen. Ich hab’ ganz klar gesagt, ich halte mich für fähig, neun Millionen Euro zu organisieren – das ist immer noch viel mehr, als alle vier Bundestheater zusammen schaffen. Sollte es zu einem neuen Stiftungsgesetz kommen, glaube ich, dass mir 2016 sogar zehn Millionen gelingen könnten.

Sven-Eric Bechtolf sagt, Kunst könne in Zeiten von Krisen und Krieg keine Lösungsvorschläge anbieten. Stimmen Sie dem zu?

Ich gebe Sven völlig recht. Wir werden oft von Journalisten gefragt – bezeichnenderweise nicht von der Bevölkerung –, wie wir es verantworten können, in einer Zeit, in der es so viele Flüchtlinge und Kriege gibt, Festspiele zu organisieren. Aber genau das war die Mission von Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal. Sie haben 1917, mitten im Ersten Weltkrieg, an die besondere Funktion der Kunst geglaubt: als Friedensbringerin, als Identitätsbringerin. Das gilt heute noch. Wir können keine Lösungen anbieten, aber wir können Fragen aufwerfen. Dass wir diesmal stark über Macht und Ohnmacht die großen Konflikte unserer Welt reflektieren, passt ja wunderbar.

Warum fahren Sie sukzessive das Schauspiel zurück? Die Perner-Insel wird etwa heuer nur einmal, mit Shakespeares "Komödie der Irrungen", bespielt.

Wieder protestiere ich! Sven ist es gelungen, mit "Mackie Messer – eine Salzburger Dreigroschenoper" erstmals seit Peter Stein im Jahre 1996 die Felsenreitschule wieder für das Schauspiel zu erobern. Darauf haben wir all unsere budgetären Kräfte konzentriert. Warum die Dreigroschenoper nicht zum Schauspiel gerechnet wird, ist mir unerklärlich. Sie wurde in einem Theater uraufgeführt, sie wird immer in Theatern gespielt. Neben dieser großen Produktion der "Komödie der Irrungen" auf der Perner-Insel wird es auch "Clavigo" im Landestheater geben, und selbstverständlich den "Jedermann" in einer Inszenierung, die ich besonders liebe.

Alexander Pereira hat sich nach seinem Weggang aus Salzburg bei der Scala gleich Gegenwind eingefangen, weil er Produktionen aus Salzburg für Mailand gekauft hat. Wie sieht diese Partnerschaft nun konkret aus?

Diesen Gegenwind gab es ja nicht nur in Mailand, sondern auch in Salzburg, obwohl sich diese Produktionsverkäufe für beide Seiten als gewinnbringend herausgestellt haben. Wir verdienten das dringend fürs Budget benötigte Geld, und die Scala bekam hervorragende Produktionen vergleichsweise preiswert (vier Opern um 690.000 Euro, eine Opern-Neuproduktion kostet durchschnittlich eine Million Euro, Anm.). Obendrein hat Pereira damit riesige künstlerische Erfolge gefeiert. Im kommenden Jahr werden wir eine Uraufführung von Thomas Adès bringen, in einer Koproduktion mit der Metropolitan Opera in New York, mit Covent Garden in London und mit der Oper in Kopenhagen.

Ein Porträt von Cornelius Obonya, der seit 2013 in der Titelrolle des "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen zu sehen ist, lesen Sie hier.

 

Die Präsidentin und ihre Festspiele

Helga Rabl-Stadler: Sie ist für alle nur „Die Präsidentin“ – dennoch begann sie als Journalistin: 1974 schrieb Rabl-Stadler als erste Frau Österreichs eine Innenpolitik-Kolumne, 1983 wechselte sie in die Politik. Sie zog für die ÖVP in den Nationalrat ein. Ab 1985 war die Mutter von zwei Söhnen und Tochter von Gerd Bacher (1925–2015) Vizepräsidentin der Salzburger Wirtschaftskammer, ab 1988 deren Präsidentin. 1991 wurde sie Bundesobmann-Stellvertreterin der ÖVP, mit der Bestellung zur Festspiel-Präsidentin legte sie alle politischen Ämter zurück.

Salzburger Festspiele: Sie gelten als das weltweit bedeutendste Festival für klassische Musik und darstellende Kunst. Die Premiere des „Jedermann“ markiert die Geburtsstunde der Festspiele, das Stück steht seit 1926 – ausgenommen die NS-Zeit von 1938 bis 1945 – durchgehend auf dem Spielplan der Festspiele.
Heuer sind die Festspiele mit einem Budget von 59 Millionen Euro ausgestattet, 46 Prozent davon werden über Eintritte finanziert, jeweils knapp 20 Prozent durch Sponsoren und durch die öffentliche Hand (Bund, Land, Stadt).

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