Darum geht‘s in Stephen Kings neuem Roman
„Erhebungen", der neueste Roman des US-Autors, ist in vieler Hinsicht eine Ausnahme: Nur knapp 150 Seiten hat das Büchlein - und das Ende für den Protagonisten kommt als erhebendes Ereignis und macht Hoffnung, dass das Sterben gar nicht schrecklich sein muss.
Auch wenn "Erhebung" im Vergleich zu "Shining", "Es" oder "Der Outsider", dem letzten Bestseller des Vielschreibers, aus Reihe tanzt, wäre es kein Stephen King, wenn nicht seltsame Vorgänge die Handlung mitbestimmen würden. Scott, fettleibig, im mittleren Alter und vor kurzem von seiner Frau verlassen, wird von Tag zu Tag leichter, ohne dass sich sein Körper verändert. Um diese Prämisse herum schuf King eine meisterhaft erzählte Geschichte um Vorurteile und um den unausweichlichen Abschied von dieser Welt.
King führt den Leser einmal mehr an den Schauplatz vieler seiner Werke, nach Castle Rock. In seine Hauptstory um den zunehmend schwerelos werdenden Scott webt der 71-Jährige geschickt ein Plädoyer gegen Homophobie ein. Ausgerechnet in der (fiktiven) Kleinstadt in Maine, wo die überwiegende Mehrheit für Donald Trump gestimmt hat, eröffnen zwei miteinander verheiratete Frauen ein Restaurant. Das Lokal geht schlecht, denn die konservativen Einwohner haben Vorurteile gegenüber den "Lesbierinnen".
Allerdings zeichnet King kein einseitiges Bild, auch eine der beiden Frauen muss erst einmal ihre (wohl aus schlechter Erfahrung) festgefahrene Meinung über Männer überdenken, um ihren Nachbarn Scott nicht als Feind zu betrachten. Schließlich entwickeln sich in der am besten in einem Sitz gelesenen novellenartigen Geschichte tiefe Freundschaften, verwandeln sich Vorurteile in Anerkennung, ja es verändert sich - zumindest in großen Teilen der Provinzgemeinde - die Gesellschaft.
Ohne Holzhammer behandelt King in "Erhebungen" akute Themen, bringt mit wunderschöner Prosa und einem gehörigen Schuss Fantasy dem Leser eine Politik des Miteinanders und die Würde des Sterbens ganz sanft und erbauend näher. Die Welt ist ohnehin genug zum Fürchten: "Elevation" (so der Originaltitel) baut auf, macht Hoffnung und nimmt Furcht. Auch das kann der "Meister des Schreckens" meisterhaft.
Buchtipp: Stephen King, "Erhebungen", aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt. Heyne Verlag, gebundene Ausgabe, 144 Seiten, 12,40 Euro