"Ich war eine frustrierte Hausfrau"
Was Hausfrauen-Frust damit zu tun hat, dass sie heute eine der erfolgreichsten Kinderbuchautorinnen ist, erzählt Christine Nöstlinger im Interview zum 80. Geburtstag.
Ob die "Geschichten vom Franz" oder Erzählungen über Gretchen Sackmeier: Mit mehr als 100 veröffentlichten Büchern gilt Christine Nöstlinger schon lange als die österreichische Kinderbuchautorin schlechthin. Am 13. Oktober feiert sie ihren 80. Geburtstag.
Wissen Sie, was Franz seiner Mutter im allerersten Band "Geschichten vom Franz" geschenkt hat? Die Antwort dazu und viele weitere Fragen rund um Christine Nöstlingers Bücher finden Sie im Quiz.
Sie haben gesagt, zu Ihrem 80er solle man Ihrem Internisten und Ihrem Onkologen gratulieren. Wie geht es Ihnen denn?
Naja, wie es einem halt so geht mit 80. Mittel. Aber es geht.
Sie haben Ihre Bücher auch für die unsympathischen Kinder geschrieben. Was waren Sie denn selbst für ein Kind?
Meine Mutter hat immer befunden, ich bin ein wildes, freches Kind. Im Gegensatz zu den heutigen Kindern war ich aber eher ein zahmes Kind, aber ich habe mich schon gewehrt, wenn mir etwas nicht gepasst hat.
Sind die Kinder heute wilder?
Zumindest frecher. Und mehr Widerstand leistend, wenn sie etwas nicht wollen. Gottlob, sie wehren sich ihrer Haut wesentlich mehr.
Ihre Freundin Astrid Lindgren wollte Kinder durch ihre Literatur trösten, das wollten Sie nicht. Was wollten Sie erreichen?
Ich treffe oft erwachsene Frauen, die mir versichern, meine Bücher hätten sie getröstet. Also muss ich anerkennen, dass die Trostfunktion von einem Kinderbuch anscheinend eine wichtige ist.
Was wollten Sie?
Dass die Kinder sich wehren gegen Dinge, die sie selber als falsch betrachten. Gegen unsinnige Erziehungsmaßnahmen.
Sie haben sich als Hausfrau und Mutter gelangweilt und so Ihr erstes Kinderbuch "Die feuerrote Friederike" geschrieben.
Naja, gelangweilt. Wenn ich alles getan hätte, was man in einem Haushalt tun kann, hätte ich mich nicht gelangweilt. Aber das war mir immer zuwider. Ich war keine Hausfrau. Ich habe nicht gerne gebügelt und aufgeräumt.
Hat dieses Buch noch immer einen besonderen Platz in Ihrem Herzen?
Nein. Ich kenne Autoren, die Buchfiguren, die sie erfunden haben, als ihre Kinder bezeichnen. So eine Autorin war ich nie. Ich habe zwei Kinder, das sind meine zwei Töchter. Und ich habe das Gefühl, dass mir manche Bücher gut gelungen sind, die feuerrote Friedrike gehört dazu.
Wann haben Sie registriert – ich kann da etwas, was andere nicht können?
Eigentlich schon beim ersten Buch, zu meiner Verblüffung. Wenn der erste Verlag das Manuskript nicht genommen hätte, ich hätte nie mehr ein zweites probiert. Ich war ja schon um die 30. Ich war eine frustrierte Hausfrau und bin mir unfähig vorgekommen. Als ich im Gymnasium war und studiert habe – da hätte ich ja niemals gedacht, dass ich einmal eine Hausfrau werde! Dann habe ich mir nicht mehr viel zugetraut.
Auch in Ihren Büchern sollten Begrifflichkeiten, die heute so nicht mehr verwendet werden, ausgetauscht werden. Sie haben sich dagegen ausgesprochen.
Die political correctness. Ich gehöre wirklich nicht zu den Leuten, die Neger sagen. Aber vor 30 Jahren war das ein ganz normaler Ausdruck und kein diskriminierendes Wort. Und ich finde, wenn man da ein Sternderl dazu macht und das den Kindern erklärt, dass das üblich war und kein Schimpfwort, dann erklärt man Kindern viel mehr, als wenn es einfach ersetzt wird. Ich mag auch das Binnen-I nicht. Ich mag nichts hinschreiben, was man nicht reden kann. Und wie red‘ ich denn ein großes I, bitte? Ich hätte gar nichts dagegen, wenn nicht mehr Ärzte steht, sondern Ärztinnen mit einem kleinen i. Jetzt hat es zweitausend Jahr lang nur männliche Ärzte gegeben, gibt’s halt jetzt nur weibliche.
Haben Sie einen besonderen Draht zu Kindern?
Nein, habe ich nicht. Ich glaube, ich kann mich nur besonders gut an meine eigene Kindheit erinnern.
Jetzt werden Sie überall gefeiert – was haben Sie danach vor?
Weiterleben.
Schön für sie, allerdings hätte sie sich ihre politischen Hausfrauenkommentare sparen können.
Jetzt ist sie also 80 Jahre alt geworden.
Was würde sie Dschi-Dschei Wischer dazu sagen gelassen haben.
Eine Figur wie diese, die lange bevor der "political correctness" den Kindern die Werte der Erwachsenen erklärt und den Erwachsenen diese Werte ab und zu um die Ohren gehauen hat.
Nämlich dann, wenn diese vermeintlichen "Werte" nur Ausreden für zB. Gedankenlosigkeit waren.
Kollegen,Kollegen...
"Herzliche Glückwunsch" würde Dschi-Dschei sagen - aber sichrig doch!
Ich möchte auch erwähnen: Christine Nöstlinger war politisch, sie war aber auch sehr parteipolitisch in ihren Kinderbüchern. In diesem Sinne hat Nöstlinger die Kinder auch sehr stark manipuliert und weniger zu politisch freiem Denken motiviert.
Kannst du Beispiele für Parteipolitik
in Kinderbüchern anführen.
an Superheld,
nicht der Titel ihres ersten Buches: "Die feuerrote Friederike" soll auf die rothaarige Friederike hinweisen. Wenn Sie das Buch genau durchlesen merken sie in jeder Einstellung die Parteipolitik. Dieses Thema "Sozialistisch ist gut," zieht sich durch alle ihre Bücher, welche ich von meinen Kindern kenne.
Auch wenn die in Wien-Brigittenau lebende Schriftstellerin zur SPÖ ein etwas gestörtes Verhältnis hatte, sie ist eine bekennende Sozialdemokratin. Meines Erachtens spiegelt sich das Parteipolitische mehr in ihren Büchern als das Politische.
Findest du es schade, dass sie sich nicht mehr an die Vergangenheit orientierte, die sie noch direkt miterleben musste?
an Puccini,
Die Antwort auf Ihre, an mich gestellte Frage, finden Sie am ehesten in ihrem Buch "Maigkäfer flieg!" Dem würde ich auch nichts weiteres hinzufügen.
Sehr witzig und wahr zugleich!
Ja, eine der coolsten erfolgreichen Frauen überhaupt: humorvoll, fleißig, bescheiden, unglaublich direkt mit einer heute schon seltenen (Selbst)Ehrlichkeit.