Kein Spott, nur pointiertes Lächeln
Der Architekt und Karikaturist Gustav Peichl alias "Ironimus" wird am Sonntag 90
"Der elegante Schwung des Hotelentwurfs riss die vielen Firmen, die an der Ausgestaltung beteiligt waren, durch seine Kühnheit mit", schrieb ein Journalist 1952 über Gustav Peichls erste verwirklichte Architektur-Arbeit, das Linzer Parkhotel (Ecke Coulin-/Figulystraße). 1960 stieg dort der damalige Sowjet-Chef Nikita Chruschtschow ab, 1973 übersiedelte die Volkshochschule in das Gebäude, 2010 wurde es abgerissen.
"Ich musste mich damals aus der Zusammenarbeit verabschieden, weil ich in ihn verliebt war – das wäre nicht länger gegangen", sagt Irmgard Ernst. Die 89-jährige Linzerin war einst Peichls Innenarchitektin beim Parkhotel-Projekt. Für die Werbeaufnahmen des Hotels wurde sie auch als Model fotografiert. Seinen Weg verfolgte sie über all die Jahre.
Als Architekt des Linzer Parkhotels (r.) bei der Gebäude-Begutachtung durch den Linzer Baurat (1952).
14.000 Karikaturen
Bei der Hotel-Eröffnung war Peichl 24. Gottfried Zellinger, der zusammen mit Arthur Perotti ein blendend beschäftigtes Linzer Architekturbüro leitete, hatte den mit herausragenden Arbeiten aufgefallenen jungen Mann gleich nach Abschluss der Linzer "Staatsgewerbeschule" (Goethestraße, heute: Grafik-HTL) eingestellt. Am Sonntag wird Gustav Peichl 90 Jahre alt, sein Gesamtwerk ist ein maßgeblicher Teil österreichischer Architekturgeschichte. Außerdem umfasst es 30 Bücher und 14.000 Karikaturen unter seinem Pseudonym "Ironimus".
Seine erste Zeichnung erschien am 9. Oktober 1949 in der Tageszeitung "Die Presse". Im Laufe der Jahre belieferte er unter anderem die "Süddeutsche Zeitung", den "Stern" und "Bild-Telegraf". Seine ORF-Sendung "Der Jahresrückblick in der Karikatur" (1971– 1996) erreichte ein Millionenpublikum.
70 Prozent seiner Zeit habe er mit Architektur verbracht, 20 Prozent mit Karikaturen und 10 Prozent mit Genuss, Spazierengehen und Flirten, sagte Peichl vor Jahren in einem OÖN-Interview.
1928 in Wien geboren, besuchte er 1943/44 die Staatsgewerbeschule in Wien-Mödling und von 1946 bis 1948 jene in Linz. Danach studierte er in der Meisterklasse Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste, wo er später selbst als Professor und Rektor tätig war. Ehe er 1955 ein eigenes Büro eröffnete, arbeitete er im Atelier von Roland Rainer.
Als Fan von Wolfgang Schüssel karikierte er 2001 dessen ORF-Umstrukturierung.
Der Architektur-Durchbruch gelang ihm mit dem Entwurf der kreisförmigen ORF-Landesstudios in Linz, Salzburg, Innsbruck und Dornbirn, die 1972 eröffnet wurden. Außerdem schuf er die Bundeskunsthalle in Bonn, den Anbau des Städelmuseums in Frankfurt, die Kindertagesstätte des Deutschen Bundestags in Berlin, das Karikaturmuseum Krems sowie den Wiener Millennium Tower (gemeinsam mit Boris Podrecca).
Der treffsichere Tuschestrich – nichts koloriert, keine große Geste, auf die präzise Pointe konzentriert – etablierte sich als Ironimus’ Markenzeichen. Nie verspottete er die von ihm Karikierten, er lächelte über sie. Elf Bundeskanzler hat er gezeichnet, den neuen nicht mehr – Peichl hat seine Karriere 2014 beendet –, "obwohl der interessante Ohren hat".
Das Karikaturmuseum Krems zeigt noch bis 27. Mai unter dem Titel "Ironimus 90" Peichls beste nicht politische Zeichnungen: feinsinnige Cartoons und hintergründige Beobachtungen (www.karikaturmuseum.at). Das Wiener MAK eröffnet am 21. März die Schau "15 Bauten zum 90sten" (www.mak.at).
Der Entwurf der ORF-Landesstudios war Peichls Durchbruch.