Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

"Lieber Gott, wer ist denn das?!"

Von Karin Schütze, 25. Dezember 2018, 09:34 Uhr

Als "Punk-Kasperl" faszinierte und verstörte Georg Ringsgwandl in den 80er Jahren. Über sein neues Album "Andacht und Radau", seine Tour "Wuide unterwegs", das Wildsein und die Kunst hat der bayerische Musikkabarettist und Autor mit den OÖN gesprochen.

Im November hat er seinen 70er (nicht) gefeiert. Das nimmt Georg Ringsgwandl zum Anlass, es auf der Bühne noch einmal krachen zu lassen. Ein Gespräch über das Wilde, die Kunst, den Tod, sein Buch, seine Tour und den Augenblick, in dem er sich zum ersten Mal im Fernsehen gesehen hat.

Haben Sie Ihren 70er im November gefeiert?

Wir haben am Vorabend ein Konzert in München gemacht, die neue Platte vorgestellt. Dann sind noch Weggefährten von mir dazugekommen, Nick Woodland, der englische Blues-Gitarrist, Christoph Well, der Multiinstrumentalist, den ich seit den 70er Jahren kenne. Es war ein ganz munterer Abend. Um zwölf haben wir angestoßen, dann bin ich für einige Tage abgetaucht. Im Sommer, wenn ich 70,7 bin, mach’ ich ein Fest.

Ihr neues Album heißt "Andacht und Radau".
Auf welcher Seite der Medaille fühlen Sie sich im Moment wohler?

Ich kann es nicht wirklich sagen. Eine wirklich gute Platte sollte ein Spektrum haben, das die gesamte Bandbreite abdeckt – von der tiefen Melancholie darüber, was alles im Leben nicht so funktioniert, wie es sollte, bis zum absoluten Exzess an Lebensfreude und Lust. Das versuche ich immer. Wenn man weiß, was alles schiefgehen und wie schlimm es kommen kann, ist die einzige Möglichkeit, es zu überstehen, dass man es krachen lässt. Aber es gibt keine Berechtigung für nur Ekstase und Disco. Es ist eine Mischung. Man darf sich nicht von den schönen Seiten zu sehr verführen lassen, aber auch nicht glauben, dass alles nur furchtbar ist. Ich finde, man ist das dem Publikum schuldig. Wenn im Publikum 300 Leute sitzen, sind das 300 unterschiedliche Schicksale. Es darf net nur Gabalier sein und nicht nur Ludwig Hirsch, um es österreichisch zu sagen.

Im Lied "Wos is mit de Leit los?" heißt es: Politik ist Recht und Ordnung, aber nie Gerechtigkeit.
Wie geht es Ihnen derzeit mit unserer Politik?

Nicht besser und nicht schlechter als früher. Die Weltpolitik ist nie so, wie man sie haben will. Es gibt immer auf der Welt ein gewisses Maß an Grausamkeit und Ungerechtigkeit. Aber ich glaube trotz aller Rückschläge, dass die Welt und die Menschheit insgesamt ganz leichte Fortschritte machen. Meine Generation, die unerhört verwöhnt ist, und die Leute, die jünger sind als ich, sind in sehr sicheren und schönen Verhältnissen aufgewachsen, die haben natürlich unvorstellbare Ansprüche an Sicherheit, Gerechtigkeit, Umweltschutz, Gender-Gerechtigkeit. Da kann man dann alles furchtbar finden. Ich bin bewusst und ganz deutlich nicht der Ansicht, dass alles schlimmer wird. Wenn man selber älter, schwächer, langsamer wird, heißt das nicht, dass die Welt deswegen zu Ende geht. Du selbst gehst zu Ende, aber die Welt geht weiter.

Sie waren Kardiologe. Verändert ein Beruf, der einen mit dem Tod konfrontiert, die Sicht auf die eigene Endlichkeit?

Ich war unabhängig von der Medizin schon in früher Jugend häufig mit Tod und Krankheit konfrontiert. Ich bin mit einem schwerst kriegsverletzten Vater aufgewachsen, habe Gleichaltrige gesehen, die herumliegende Weltkriegsgranaten gezündet haben. Mit 18 habe ich eine schwere TBC gekriegt und war ein Jahr im Sanatorium, wo laufend jemand gestorben ist. Aber ich finde, das ist ein Vorteil. Der Tod ist das Einzige, was einen Menschen noch zur Vernunft bringen kann, die Tatsache, dass die Zeit begrenzt ist, kann einen dazu bewegen, dass man mit seiner Zeit vernünftiger umgeht, klarer zwischen wichtig und unwichtig, Getue und Substanz unterscheidet. Die klugen Leute, die wirklich großen Künstler, sind alle alte Seelen. Die wissen schon mit 17, 18, dass das eine endliche Veranstaltung ist. Kunst, die das nicht weiß, ist banal.

Sie haben einmal gesagt, die wirklich große Kunst komme aus der Wildnis.

Die wirklich großen Sachen in der Kunst kommen nicht aus Institutionen, nicht aus den Kunsthochschulen, den Musikkonservatorien. Die kommen aus dem Dschungel: die Kinks, die Beatles, The Who, die Stones, Jimi Hendrix, Bob Marley, Andy Warhol – die kommen alle aus der normalen Wildnis heraus. Die Akademisierung der Kunst bringt keine Kunst hervor, nur Wiederholung. Die neuen, wirklich interessanten Impulse kommen immer von außen. Von den Universitätsprofessoren kommt zumindest in Europa keine nennenswerte Literatur. Was nicht heißt, dass sie nicht notwendig wären, sie sind wichtig, und es ist gut, dass sie alle pragmatisiert sind…

Sie schreiben gerade an einem Roman…

Ach, du lieber Gott! Der hätte Anfang November erscheinen sollen. Ich hätte ihn hinschlampen müssen, das wollte ich nicht. Nächstes Jahr kommt er raus. Er muss so geschrieben sein, dass ich damit sterben kann, wenn der Sensenmann kommt. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass man noch ein schlechtes Buch auf den Markt schmeißt.

Ihre Tour heißt "Wuide unterwegs". Sind Wilde unterwegs?

Das Motto ist, dass ich’s noch einmal richtig scheppern lass’, dass es noch mal richtig schnalzt. Weil ich mir dachte, möglicherweise ist es das letzte Mal, dass das geht – ein Programm mit einer Rockband, die fette, energische Sachen spielt. Das kann man nicht ewig machen, das ist eine Hochenergie-G’schicht. Jetzt geht’s noch.

Man hat Sie als "Punk-Kasperl" bezeichnet. Haben Sie sich früher selbst auch als wild erlebt?

Ich habe mir gedacht, dass das so sein muss, als ich angefangen habe, Ende der 70er, Anfang der 80er. Wenn du auf die Bühne gehst, muss ein Fass aufgemacht werden, da muss etwas passieren, das muss Kraft und Witz haben, lebendig sein und mit unserer Welt zu tun haben, aber auf eine spezielle Art verarbeitet. Warum sollen sich Leute in einen Saal reinsetzen, wenn da vorne einer bieder seine Gitarre schrubbt? Man muss den Leuten etwas zu sagen haben, mit ihnen kommunizieren. Dass dass so abgedreht und war, habe ich erst mitgekriegt, als ich mich zum ersten Mal im Fernsehen gesehen hab’. Da hab’ ich mir gedacht: Du lieber Gott, wer ist denn das?! Ich habe nie das Gefühl gehabt, etwas besonders Sensationelles und Auffälliges zu machen.

*****

Leben
Georg Ringsgwandl (70) aus Bad Reichenhall, studierte Medizin und arbeitete bis 1993 als Kardiologe. Als Musikkabarettist trat er ab 1978 mit seinem eigenen Programm „Gurkenkönigs Hausfrauenshow“ auf. 1986 erschien sein erstes Album „Das Letzte“.

In seinem Musical „ Ludwig II.“ gab er selbst den Bayernkönig. Das Theater im Hof in Enns spielte 2016 seine Stubenoper „Der varreckte Hof“. Zudem schrieb er mehre Theaterstücke und Bücher. Der dreifache Vater lebt in Seehausen am Staffelsee und in München.

Neue CD
„Andacht & Radau“, sein zwölftes Album, erscheint am 11. Jänner. Rockige Rhythmen treiben kluge, satirische, humorvolle Texte vor sich her. Von den Tücken der Handy-Mania über politischer Ungerechtigkeit spannt sich der Bogen bis zu romantischen Tour-Erinnerungen und dem inneren Schweinhund.

In Linz
Mit „Wuide unterwegs“, einer „Hochenergie-G’schicht“, wie Georg Ringsgwandl sein neues Programm umschreibt, ist das bayrische Universalgenie mit Rockband am 10. Jänner, 20 Uhr, im Linzer Posthof zu erleben. Karten: 0732 / 78 18 00, www.posthof.at

 

mehr aus Kultur

Kohlrabenschwarz, aber bildschön: Zeichnungen, die ins Herz unserer finsteren Zeiten führen

Blick ins Kastl: Als Seppis Welt noch in Ordnung war

"Die Verräter": Neue TV-Show auf RTL+ mit Marina Hoermanseder

Wenn Klimaschutz die Zukunft aufs Spiel setzen kann

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

4  Kommentare
4  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Gugelbua (32.719 Kommentare)
am 25.12.2018 11:38

Die Leut brauen das "Ablenkung" um nicht über den (Un)Sinn des Lebens zu grübeln grinsen

lädt ...
melden
antworten
despina15 (10.096 Kommentare)
am 25.12.2018 11:35

lieber Gott,wer ist denn das?
na da halt ich es so,wie der
grosse EINSTEIN!

lädt ...
melden
antworten
jago (57.723 Kommentare)
am 25.12.2018 12:34

Auch der war jahrtausende lang zum Fürchten da (Sintflut) und nicht zum Lieben (Bethlehem).

Ich habs leicht, ich mach mirs leicht: Sogar Gott und seine Liebe hängt an der Glocke, an der Gauß'schen Normalverteilung.

So wie grad jetzt die "Lügenpresse"sache auch; da habe ichs nicht nötig, Befreiungsschlag-Kommentare zu schreiben: die Glocke machts möglich. Einige Totalversager auf der einen Seite, einge Superjournalisten auf der andern und viel Mittelmäßigkeit dazwischen.

lädt ...
melden
antworten
jago (57.723 Kommentare)
am 25.12.2018 10:15

Solche saure Gsichter habts nötig grinsen

Auf den Bildschirmen trällerns "Halleluja" mit Gsichtern wie zu Allerseelen, die Professionellen mit einem tiefen Ausschnitt und die Priester palavern ihren Sozialkram wie Parteipolitiker mit ihrer gutturalen Sprechübung.

Die Mette im Petersdom - ich habe sie weggezappt, immer wieder weg gezappt: Da habe ich mich auf eine lateinische Messe gefreut und was ist passiert? Die Simpeln haben simultan auf Deppendeutsch übersetzt: "verbum domini" auf "Wort des lebendigen Gottes" - das halt ich nicht aus, das halt ich nicht mehr aus, das ist mir neue Batterien in der Fernsteuerung wert.

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen