Ein Sarg und vier Leichen: Kurioses von Thomas Raab
"Walter muss weg" nennt der Wiener Autor seinen neuen Kriminalroman, aus dem er am Freitag im Linzer Posthof liest.
Vier Jahre sind vergangen, seit Thomas Raabs letzter Roman "Still" erschienen ist, die gruselige Geschichte eines Serienmörders. Jetzt hat der mit renommierten Krimi-Preisen ausgezeichnete Wiener Autor ein neues Opus vorgelegt: "Walter muss weg". Für seinen neuen Kriminalroman hat Raab nicht auf seinen Willibald Adrian Metzger zurückgegriffen, sondern eine neue Amateurermittlerin kreiert: Hannelore Huber, eine Siebzigjährige aus dem gar nicht idyllischen Dörfchen Glaubenthal. An Leichen, die auf mysteriösen Wegen zu solchen geworden sind, mangelt es dort nämlich nicht.
Zwei fromme Dörfer
Das ist zunächst einmal Hannelores eigener, allerdings ungeliebter Ehemann Walter, der angeblich bei einem Bordellbesuch wegen Überengagement gestorben sein soll. Als beim Begräbnis der Sargdeckel wegrutscht und nicht Walter Huber, sondern der Bestatter Albin Kumpf tot aus dem Sarg fällt, sind Zweifel an der offiziellen Version angebracht.
Die Suche nach Walters Leichnam verläuft ergebnislos, dafür findet man im Hochmoor einen anderen: den der russischen Prostituierten Svetlana Putin (nein, weder verwandt noch verschwägert mit dem bekannten Präsidenten). Und es gibt noch einen Vierten, der Anspruch auf den Platz im Sarg erhebt, einen gewissen Herrn Müller, dessen Witwe zur Beerdigung angereist ist.
Diese Vorfälle bringen Bewegung in die Dorfgesellschaft, und Thomas Raab nützt diese Gelegenheit, um jene Typen vorzuführen, die Glaubenthal bereichern, zum Beispiel den klein gewachsenen und breit gewordenen Polizisten Swoboda und seine um fast 30 Zentimeter größere und deutlich dynamischere Kollegin Unterberger-Sattler. Weiters den Gemeindearzt Kurt Stadlmüller, der gleichzeitig Bürgermeister ist – und alles andere als ein Sympathieträger.
Zwischen zwei fromme Dörfer gehören natürlich auch ein Bordell samt großherziger Puffmutter und eine Reihe von Kunden, unter anderem sogar der (fiktive) Staatssekretär für Inneres, ein Jungpolitiker neuen Typs – und offensichtlich nicht nach dem politischen Geschmack des Autors. Oft meint man, Thomas Raab beziehe die Bewohner seines ländlichen Sozialraums direkt aus dem Typenarsenal des österreichischen Volkstheaters, aber manchen Figuren verleiht er auch individuelle Biografien, die berühren und nachdenklich stimmen. Dass der Erfolgsautor der Metzger-Romane originelle Ideen hat und seine kuriosen Geschichten spannend und humorvoll zu erzählen weiß, überrascht nicht. Dass er hin und wieder stilistische Anleihen bei Wolf Haas’ Brenner-Romanen macht, ist aber verzichtbar, denn Thomas Raab ist selbst sprachmächtig genug.
Thomas Raab: "Walter muss weg". Roman, Kiepen- heuer & Witsch, 374 Seiten, 20,60 Euro
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