Elfie Semotan: "Bei Männern geht so etwas schneller"
Mit 83 Jahren zum "Großen Landeskultur-Preis": Die Starfotografin aus Vorchdorf über ihre Karriere
Sie hat Model-Ikonen wie Naomi Campbell und Cordula Reyer sowie Hollywood-Stars wie Willem Dafoe und Benicio del Toro fotografiert. Sie arbeitete für Designer Helmut Lang, die Wäschemarke Palmers und so ziemlich jedes Magazin von Weltrang: Vogue, Elle, Marie Claire, Esquire, Allure, The New Yorker, Harper’s Bazaar und viele mehr.
Das wunderbar Überraschende an Elfie Semotan, die heuer den Großen Landespreis für Kultur erhielt, ist aber eines: Im Miteinander ist sie überhaupt nicht so, wie man es ob dieser "Hochglanz-Vita" glauben könnte. Die Vorchdorferin ist weder abgehoben, ernst noch weltfern, sondern freundlich, nahbar, charmant – und sie hat Humor.
Die scherzhafte Frage, ob es nicht "ein mittlerer Skandal" sei, dass sie die Auszeichnung erst als 83-Jährige erhalten habe, beantwortet die Starfotografin mit einem Lachen. "Ich habe ja schon einige Preise bekommen. Das ist schon in Ordnung. Sie wissen ja, wie das ist: Bei einem Mann geht so etwas leichter und schneller. Bei Frauen ist es anscheinend immer schwieriger. Aber immerhin: Es passiert." Aber im Ernst: "Eine solche Anerkennung bedeutet mir sehr viel. Das heißt, man wird geschätzt, was wunderschön ist." Darüber könne und solle man sich auch freuen. "Ich war da früher viel zurückhaltender." Aber es sei eine Erkenntnis ihres Lebens, Anerkennung ernst zu nehmen und zu umarmen.
Das Ärgste ist ein perfektes Bild
Aber zurück zur Karriere in der Modefotografie: Erstaunlich vor diesem glamourösen Hintergrund ist nicht nur ihr bodenständiges Wesen, sondern auch die Tatsache, dass sie es nie auf diesen Berufsweg angelegt hatte. 1960 schloss Semotan die Modeschule Hetzendorf (NÖ) ab. Weil es in Wien im Design kaum Perspektiven gab, ging sie nach Paris. Sie wurde selbst Model und entdeckte die Fotografie. "Aber in Paris ging’s nur ums Überleben." Diese Härte ließ in Semotan einen Wert wachsen, der ihre Arbeit, ja sogar ihre Bildsprache prägt: Selbstbestimmtheit.
Es wurde maßgeblich, dass ihre Kunst stets "aus mir selbst kommen kann, aus meinen Überzeugungen, dass zählt, wie ich die Welt, die Frauen und all das sehe, was ich fotografiere. Und ich achte darauf, dass niemandem die Würde genommen wird." Wer Semotans Werke betrachtet, sieht diese Haltung auch durchscheinen – so wie die Klarheit, das Schnörkellose ihres Charakters. Als Lichtbildnerin weiß sie, dass sie nicht zu nehmen hat, sondern zuerst zu geben – nämlich Respekt und Vertrauen. Sie will, dass sich jeder und jede bei ihr "gut aufgehoben" fühlt.
Für die Oberösterreicherin ist Fotografie ein Akt der Kommunikation, in dem man Persönlichkeiten findet. Das spürt man ebenso in ihren Porträts und in ihren Aufnahmen von Landschaften und Stillleben. Ersucht man Semotan, eine gelungene Fotografie zu beschreiben, überrascht sie – wieder einmal. Denn für sie gibt es "nichts Ärgeres als ein vollkommen perfektes Foto", zudem sei es "unzulässig, mit Schönheit alles zuzudecken".
War ihr Zugang, Fotografie als Miteinander zu leben, eine (feministische) Pionierleistung, ist ihre kritische Position gegenüber faden Polituren eine ebensolche in Zeiten von Schönheitsfiltern auf TikTok.
Wie beurteilt die Mutter zweier Söhne (aus der Ehe mit Künstler Kurt Kocherscheidt) selbst ihre Karriere – kritisch oder zufrieden? "Kritisch bin ich ja immer, das ist ja auch notwendig. Einerseits bin ich einfach darauf losgegangen, ohne mir zu überlegen, was dabei alles hätte passieren können, andererseits habe ich auch Glück gehabt." Sie überlegt. "Insofern kann ich schon sagen, dass ich es ganz gut gemacht habe. Vielleicht hätte ich es noch besser machen können? Keine Ahnung. Aber das interessiert mich jetzt auch gar nicht."
Denn was bei Semotan, die ihren ersten Ehemann Kocherscheidt 1992 nach knapp 20 Ehejahren verlor und ihren zweiten, Martin Kippenberger, 1997 nach gut einem Jahr, nicht überrascht: ihr steter Blick nach vorne. "Und wenn ich schon alt werde, dann so selbstbestimmt und gut wie möglich." Das Schöne an der Kunst sei ja, dass man sie machen könne, "bis man die Hände nicht mehr regen kann".