Glanz, Glamour und Tiefgang in Steyr
Gelungenes Musical "Cabaret" zum 25-Jahr-Jubiläum des Musikfestivals.
Offensichtlich hat sich seit 1966, als das Musical "Cabaret" Premiere feierte, kaum etwas geändert. Feindseligkeit gegenüber anderen ist salonfähig geblieben. Die Unterhaltungsmaschinerie ist vom Überlebenskampf des Einzelnen gezeichnet – im Stück ist sie im bereits von NS-Zwängen geprägten Berlin der frühen 30er angesiedelt.
Passend zum 25-jährigen Jubiläum des Musikfestivals Steyr wählte Intendant Karl-Michael Ebner "Cabaret". Er setzte es auf das Programm eines Festivals, das wohl mehr als andere Höhen und extreme Tiefen erlebte. Und das erst mit dem romantischen Spielort im Schlossgraben von Schloss Lambert richtig durchstartete.
Fordert zum Nachdenken heraus
Ein Erfolg, den die Premiere am Donnerstag bestätigte. Dennoch traten auch die Grenzen des Möglichen zutage. Georg Lindorfer hat mit sparsamsten Mittel dennoch eine in vieler Hinsicht praktikable und effektvolle Szenerie entworfen, in der Susanne Sommer intelligent Regie führt. Sie legt den Fokus weniger auf das pseudo-opulente Drumherum eines Varietés, sondern vielmehr auf die Schicksale der handelnden Personen – teils sehr beklemmend inszeniert.
"Cabaret" ist trotz der brillanten Musik John Kanders kein Unterhaltungstheater im engen Sinn. Es fordert trotz der guten Laune, die in Steyr nie zu kurz kommt, zum Nachdenken heraus. Das ist gut so, weil es dem Festival den nachhaltigen Effekt verleiht, gesellschaftsrelevante Positionen beziehen zu wollen. Gleichsam wirbelt das Europaballett in brillanter Choreografie von Florian Hurler über die Bühne und macht verständlich, warum viele in Clubs kurze Auszeiten suchten. Da lässt man sich gerne von einer Conférencieuse wie Martina Dorak zum Bleiben überreden, die gekonnt die Clownsmaske fallen lässt. Rebecca Soumagné lässt als Sally Bowles deutlich das Getriebensein durch ein gnadenloses Umfeld erkennen.
Christopher Isherwood distanzierte sich 20 Jahren nach der Publikation von "Berlin Stories", der literarischen Basis von "Cabaret", von seinem Romanhelden. Er habe damals die tatsächliche Situation in Berlin nicht begriffen. Das aber kommt ideal in der Darstellung des Cliff Bradshaw durch Ben Connor heraus. Er brilliert stimmlich, lässt sich aber allmählich aus seiner Cabaret-Traumwelt herausreißen. Oliver Liebl überzeugt als Ernst Ludwig, Gabriele Deutsch ist ein fein nuanciertes Fräulein Schneider. Josef Luftensteiner begeistert als nicht begreifender Herr Schulz. Maren Kern (Fräulein Kost) sowie die Kit-Kat-Girls und -Boys trugen wie das mitreißende Cross Over Orchestra Wien zum großen Erfolg bei.
Fazit: Packendes Musical mit großem Gespür für Historie, aber mit viel Glanz und Glamour.
Weiters: 27. 7.; 1., 2., 3., 8., 9., 10. 8., www.musikfestivalsteyr.at