Staunen ist der Schlüssel zu "Sofies Welt"
LINZ. Die Tribüne Linz verleiht in zwei frischen Stunden mit Pause großen Fragen Flügel.
Wer bist du? Woher kommt die Welt? – Sie schlummern in jedem von uns, die großen Fragen. An der Tribüne Linz werden sie feinsinnig wachgeküsst, mit "Sofies Welt" von Karlheinz Komm nach dem gleichnamigen Bestseller von Jostein Gaarder (1991). Der norwegische Autor erzählt die Geschichte der Philosophie staubbefreit als fiktiven Abenteuerroman: Die fünfzehnjährige Sofie wird durch mysteriöse Briefe auf die Spur der großen Denker gelotst.
Regisseurin Cornelia Metschitzer hat das Stück als Einladung nicht nur, aber besonders an Jugendliche inszeniert: frisch, frech und flott. Temporeiche Szenen wechseln gut getaktet mit Momenten des Innehaltens, in denen sich vom stimmigen Filmmusik-Mix getragene Denkräume öffnen. Eine Discokugel taucht Decke und Wände in funkelnde Geistesblitze.
Sofie begegnet dem Donnergott Thor aus der nordischen Mythologie wie den antiken Griechen. Sie erlebt hautnah Sokrates’ Todesurteil vor Gericht und Platons Höhlengleichnis als Schattenspiel. Die aristotelische Leiter entsteht im Nu aus multifunktionalen Hockern, aus denen auch das variable Bühnenbild gezaubert wird.
Wie nebenbei fächert sich die abendländische Mythologie und Philosophiegeschichte vor dem Publikum auf, zum Leben erweckt von drei Darstellern, die souverän 27 Rollen meistern: Gina Christof stattet ihre Sofie mit vitalem, frechem Charme aus und schlüpft zudem in sechs weitere Rollen. Verwandlungskünstlerin Paula Kühn wechselt wie ein Chamäleon unter anderem zwischen angepasster Mutter, flippiger Freundin, Sokrates und Aristoteles. Tom Büning weist als gesetzter Philosophielehrer Alberto Knox den Weg durch die Geisteswelten, gibt u. a. mit komödiantischem Talent einen ob der Denker narzisstisch gekränkten Thor und als Siegfried eine feine Heldenparodie. Was hat Rotkäppchen im Spiel im Spiel verloren? Die großen Fragen führen bald zu noch größeren.