Theodor Fontane: Der kritische Freund Preußens
Heute jährt sich der Geburtstag des Schriftstellers zum 200. Mal.
Ausgerechnet der Schriftsteller, der wie kein anderer das alte Preußen repräsentiert, hieß ursprünglich eher undeutsch Henri Théodore Fontane. Seine hugenottischen Vorfahren flohen von Frankreich nach Berlin, als ihnen König Ludwig XIV. 1685 Religionsfreiheit und Bürgerrechte genommen hatte.
Fontanes Großvater brachte es in Berlin zum Kabinettssekretär von Königin Luise, der Vater wurde Apotheker, und auch der am 30. Dezember 1819 in Neuruppin geborene Theodor schlug nach einem holprigen Weg durch die Gewerbeschule eine pharmazeutische Laufbahn ein. Bis 1849 arbeitete er im ungeliebten Brotberuf. Dann entschloss er sich, vom Schreiben zu leben, nicht vorrangig als Dichter, sondern als Journalist. Theodor Fontane schrieb für verschiedene Journale und war einige Jahre preußischer Pressebeauftragter in England. Ab 1870 verfasste er regelmäßig Theaterkritiken für die "Vossische Zeitung", wo er für die naturalistische Moderne eintrat, für Ibsen und insbesondere für den jungen Gerhart Hauptmann.
Trotz seines Fleißes als Journalist war Fontane finanziell nie sorglos. Immerhin musste er ab den sechziger Jahren eine Familie mit vier Kindern ernähren. Von seinen journalistischen Texten sind vor allem die Reiseessays zu Klassikern geworden. Fontanes mehrbändige "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" sind allerdings für heutige Freunde einer sinnlich erzählenden Reiseliteratur eher ermüdend. Die besten Arbeiten aus den "Wanderungen" lassen allerdings schon den künftigen, wortmächtigen Erzähler erkennen, den aufmerksamen Menschenbeobachter und kritischen Zeitgenossen.
Es dauerte lange, bis Theodor Fontane auch als Dichter die erhoffte Anerkennung fand. Bekannt wurde er durch seine Balladen. Seine Novelle "Geschwisterliebe" (1839), sein episches Debüt, stand in der sentimentalen Tradition der Spätromantik. Die große realistische Erzählkunst, mit der Fontane erst nach seinem Tod so nach und nach zum deutschen Klassiker avancierte, gehört samt und sonders zum Spätwerk. "Irrungen, Wirrungen" erschien 1888 als Buch, sein Meisterwerk "Effi Briest" ab 1894 in sechs Folgen in der "Deutschen Rundschau". Aus diesen Romanen erhalten wir ein erhellendes Bild der wilhelminischen Gesellschaft, übrigens auch aus Fontanes Briefen, die integraler Teil seines literarischen Werks sind. In seinem letzten Lebensjahrzehnt ging er zu seiner Heimat mehr und mehr in kritische Distanz.
Fontane war, abgesehen von den Jahren vor 1848, politisch eher konservativ. Aber gerade die vornehmsten altpreußischen Werte, zu denen er soziale Empathie, Toleranz und Friedfertigkeit zählte, sah er gefährdet.
Das literarische Dokument seiner leidgeprüften Preußen-Liebe ist der Altersroman "Der Stechlin". Der alte Gutsherr Dubslav, in vielem das Sprachrohr seines Schöpfers, stirbt am Ende. "Der Stechlin" erschien in Buchform im Oktober 1898. Fontane war am 20. September 1898 gestorben.
Theodor Fontane: Leseempfehlungen
„Effi Briest“. Roman. S. Fischer, 380 Seiten, 41,20 Euro. Eine feine bibliophile Neuausgabe mit Illustrationen von Jörg Hülsmann.
„Der Stechlin“. Roman, Aufbau, 446 Seiten, 14,40 Euro. Der weise Altersroman braucht geduldige Leser, für die Handlungsarmut kein Problem ist.
„Unterm Birnbaum“. Erzählung. Carlsen, 80 Seiten, 12,40 Euro. Fontanes Kriminalerzählung mit Illustrationen von Birgit Weyhe.
„Wundersame Frauen“, Manesse, 170 Seiten, 18,50 Euro. Für diese originelle Neuerscheinung haben die Herausgeber elf weibliche Lebensbilder aus den „Wanderungen“ zusammengestellt.