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Verhängnisvolle Obsessionen im "MeToo"-Zeitalter

Von Christian Schacherreiter, 18. November 2020, 00:04 Uhr
Kate Elizabeth Russell
Kate Elizabeth Russell Bild: Bertelsmann

Mit "Meine dunkle Vanessa" legt Kate Elizabeth Russell einen herausragenden Debütroman vor.

Wir schreiben das Jahr 2017. Der Hashtag MeToo sorgt für Irritationen und Skandale. Auch für Jacob Strane, Lehrer an einer Internatsschule in Maine, wird es eng. Fünf Absolventinnen beschuldigen den fast Sechzigjährigen, sie sexuell belästigt oder sogar missbraucht zu haben. Es gibt noch eine sechste Ex-Schülerin, von der behauptet wird, sie sei vor siebzehn Jahren als Fünfzehnjährige Stranes erstes Opfer gewesen, aber Vanessa verteidigt ihren ehemaligen Lehrer. Von Missbrauch könne gar keine Rede sein.

Tatsächlich hat aber Vanessa sehr viel mit dieser Sache zu tun. Ihre Affäre mit Jacob Strane ist für sie zum lebensbestimmenden Ereignis geworden. Ihre Psychotherapeutin spricht klar von traumatisierendem Missbrauch. Vanessa sträubt sich aber gegen diese Interpretation, denn sie ist davon überzeugt, dass sie selbst viel zu dieser Amour Fou beigetragen hat und mitschuldig ist an Stranes Misere.

Zurück ins Jahr 2000. Vanessa kommt aus behüteten, kleinbürgerlichen Verhältnissen. Auf eigenen Wunsch besucht sie eine private Internatsschule und lässt sich dort auf ein riskantes erotisches Annäherungsspiel mit ihrem Lehrer ein. Die Affäre versetzt die Fünfzehnjährige in heftige emotionale Wechselbäder zwischen Abscheu und Verlangen, Stolz und Verzweiflung.

Die verbotene Beziehung bleibt nicht unbemerkt, aber Vanessa rettet Strane durch ihre falsche Aussage seine Lehrerstelle und verlässt selbst die Schule. Damit ist aber dieses Verhängnis, von dem Vanessa nie weiß, ob es eine Liebesgeschichte ist, noch lange nicht zu Ende.

Dass MeToo insbesondere in der amerikanischen Literatur nicht folgenlos bleiben würde, war absehbar. "Meine dunkle Vanessa", der Debütroman der 36-jährigen Autorin Kate Elizabeth Russell, ist aber von herausragender Qualität. Mit psychologischem Scharfblick durchleuchtet Russell das komplexe Gefühlsleben einer Protagonistin, die stark und selbstbewusst ist, aber trotzdem einer verhängnisvollen Obsession nicht entkommt.

Eine große Leistung der Autorin besteht darin, dass sie Jacob Strane nicht im Schwarz-Weiß-Klischee abhandelt. Trotzdem bleibt nie ein Zweifel daran, dass die Verführung einer fünfzehnjährigen Schülerin durch einen Lehrer, der mehr als zwanzig Jahre älter ist, auf alle Fälle Missbrauch ist.

Kate Elizabeth Russell: "Meine dunkle Vanessa", Roman, C. Bertelsmann, 440 S., 20,60 Euro

OÖN Bewertung:

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Autor
Christian Schacherreiter
Christian Schacherrreiter
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