20 Jahre nach dem Mauerfall: Mit Jubel allein ist es nicht getan
„Guck, diese Häuser. Die Leute hatten die Mauer vor der Nase“, sagt A. Wir spazieren am Teltowkanal. 1989 war hier die Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Heute vor zwanzig Jahren ist die Mauer gefallen.
Hier an der Berliner Mauer wurden Menschen erschossen bei ihrem Versuch, zu flüchten. A. ist in Ostberlin aufgewachsen. Er war in den Herbsttagen 1989 bei den Friedensgebeten und Demonstrationen dabei. Die friedliche Revolution versetzt ihn in Begeisterung: Kein Schuss gefallen! Dann kamen Reisefreiheit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, freie Wahlen. Das offizielle Gedenken beobachtet er skeptisch: Es geht ihm nicht tief genug.
Dieser Tage klingt vieles nach Happy End. Man blickt zurück mit einem „Fest der Freiheit“ am Brandenburger Tor. Zweieinhalb Meter hohe Elemente, die Mauersteine symbolisieren, werden wie Dominosteine umfallen, den ersten Stein wird der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa anstoßen: „Es begann in Danzig“. Nach Berlin kamen die Tschechoslowakische Republik, Rumänien, Bulgarien, Albanien, die baltischen Staaten.
Doch auch Politiker wissen: Mit einem jubelnden Blick zurück ist es nicht getan. Und so sagt etwa Kanzlerin Angela Merkel, man müsse „weiter daran arbeiten, die teilungsbedingten Strukturschwächen der neuen Länder zu überwinden“.
Im Osten ist die Arbeitslosenquote mit 11,8 Prozent fast doppelt so hoch wie im Westen. „Blühende Landschaften“ hatte einst Kanzler Helmut Kohl den Ostdeutschen prophezeit und die Eingliederung der DDR in die BRD forciert. „Ihr Wirtschaftler werdet die Probleme schon lösen“, habe ihm Kohl im April 1990 gesagt, erinnert sich Edgar Most, zu jener Zeit Vizepräsident der DDR-Staatsbank. „Ich bin Politiker und muss politisch entscheiden.“
Frühestens im Jahr 2020 wird die Wirtschaft Ostdeutschlands zu jener im Westen aufschließen, prognostiziert das Institut der deutschen Wirtschaft. Die Löhne sind im Durchschnitt immer noch niedriger als im Westen, trotzdem wandern mitunter Unternehmen ab. Viele wählen aus Enttäuschung die Linkspartei, was die SPD besonders trifft.
Doch wirtschaftlich geht es nicht nur manchen „Ossis“ schlecht. Der Frust ist auch in westlichen Regionen wie im Ruhrgebiet groß, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist und viele Hartz IV beziehen.
Wie auf den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft reagieren? Darauf sucht zwanzig Jahre nach dem Mauerfall und in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht nur die schwer angeschlagene SPD auf ihrem Parteitag am kommenden Wochenende nach Antworten.
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