Ernüchternde Erkenntnis: Auch Affen, Delfine und Elche berauschen sich gern
Morgen, zu Silvester, wird der Alkohol wieder in großen Mengen fließen. Viele stoßen auf das neue Jahr gern mit Sekt, Champagner oder auch hochprozentigeren Getränken an. Nun haben britische Forscher herausgefunden, dass sich auch Tiere hin und wieder gern "berauschen". Anekdoten von beschwipsten Tieren in der Wildnis hat es ja immer wieder gegeben – die Frage ist nur, ob es sich dabei um zufällige Ereignisse handelt. Mit großer Wahrscheinlichkeit nein, schreiben die Studienautoren im Fachblatt "Trends in Ecology & Evolution".
Alkoholkonsum ist im Tierreich offenbar weiter verbreitet als bisher angenommen, zeigt die Untersuchung des britischen Forscherteams. Während etwa manche Insekten Alkohol zu medizinischen Zwecken nützen, dürften bei anderen Tierarten auch soziale Komponenten eine Rolle spielen. "Wir entfernen uns zunehmend von der anthropozentrischen Sichtweise, dass Ethanol etwas ist, das nur Menschen benützen", sagt die Verhaltensökologin Kimberley Hockings von der Universität Exeter.
Tatsächlich kommen die meisten Tiere, die sich von zuckerhaltigen Früchten ernähren, mit Alkohol in Berührung. "Er ist in der Natur viel häufiger vorhanden, als wir dachten." Frucht- und nektarfressende Tierarten konsumieren ihn vermutlich regelmäßig, so die Forscherin. Vor allem in tropischen Gebieten, wo sich aufgrund höherer Temperaturen und Luftfeuchtigkeit mehr Alkohol in überreifen, gärenden Früchten bilden kann.
Konzentrationen von bis zu 10,2 Volumenprozent wurden etwa in vergorenen Palmfrüchten gemessen. In natürlich fermentierten Früchten außerhalb der Tropen liegt der Alkoholgehalt hingegen deutlich niedriger, bei nur rund ein bis zwei Volumenprozent.
Hefepilze zum Fermentieren
Vor etwa 100 Millionen Jahren begannen Pflanzen, Nektar und Früchte zu produzieren, Hefepilze ließen den enthaltenen Zucker zu Alkohol fermentieren.
Im Gegensatz zu Menschen, die Alkohol trinken, um sich zu berauschen, seien Tiere vor allem am hohen Nährwert überreifer – und damit oft alkoholhaltiger – Früchte interessiert, meint der Molekularökologe Matthew Carrigan, der ebenfalls an der Studie beteiligt war: "Die Tiere wollen die Kalorien, aber nicht den Rausch." Der sei aus ökologischer Sicht hinderlich und gefährlich, etwa beim Klettern auf Bäumen und beim Fliegen – und vom evolutionären Standpunkt aus betrachtet "ein Merkmal, das nicht weitergegeben werden sollte".
"Gefühl der Entspannung"
Alkoholkonsum muss für Wildtiere also andere Vorteile haben. Die Forscherinnen und Forscher nehmen an, dass neben dem Duft, der die Tiere zu süßen Nahrungsquellen lockt, die "beruhigende" Wirkung eine Rolle spielen könnte – vor allem bei sozial lebenden Tierarten. Alkohol aktiviere vermutlich auch bei Tieren das Endorphin- und Dopaminsystem, "was zu einem Gefühl der Entspannung führt, das sich positiv auf das Sozialgefüge auswirken könnte", erklärt die Verhaltensökologin und Studienerstautorin Anna Bowland.
Von Klammeraffen etwa sei seit Kurzem bekannt, dass sie absichtlich vergorene Balsampflaumen fressen – diese Früchte enthalten bis zu 2,5 Prozent Alkohol. Und auch Schimpansen ernähren sich regelmäßig von überreifen Palmfrüchten, so die Verhaltensökologin.
Fruchtfliegen hingegen legen ihre Eier laut Forschung in gärende, alkoholhaltige Früchte, um sie vor Parasiten zu schützen. Einige Fruchtfliegenarten sollen unter Alkoholeinfluss auch ein verändertes Sexualverhalten zeigen: Weibchen der Art Drosophila simulans werden demnach weniger wählerisch und paaren sich mit mehr männlichen Partnern. Männliche Drosophila-melanogaster-Fliegen hingegen konsumieren Alkohol, wenn sie von potenziellen Partnerinnen zurückgewiesen werden, wie Wissenschafter beobachten haben wollen. (gul)