Zwischen Brückenbauer und Weltpolizist
Stellen Sie sich vor, Frank Stronach wäre vor einigen Jahren tatsächlich Bundeskanzler geworden. Dann würde zumindest uns in Österreich US-Präsident Donald Trump heute nicht mehr so unfassbar erscheinen, so fern jeder bisherigen politischen Berechenbarkeit.
Trump ist im großen Amerika das gelungen, was Stronach im kleinen Österreich vergeblich angestrebt hat: es von null auf hundert in das höchste Amt zu schaffen und dort dann alles seinem Willen und seinen Launen unterzuordnen. Wie Stronach saugt auch Trump aus seinem Erfolg als Unternehmer eine Überdosis Selbstbewusstsein und Selbstgerechtigkeit. "Wer das Gold hat, macht die Regeln", brachte das Stronach so direkt auf den Punkt. Der Satz könnte eins zu eins von Trump stammen. Der US-Präsident akzeptiert nur sich selbst als Instanz.
Vor diesem Hintergrund ist Trumps Ankündigung, die USA würden sich aus der Rolle als "Weltpolizist" zurückziehen, bemerkenswert. Es ist zwar nicht zu erwarten, dass die USA, die mit Abstand stärkste Militärmacht der Welt, ihre Soldaten von allen Konfliktherden nach Hause holen. Zu stark sind die geostrategischen und damit vor allem auch wirtschaftlichen Interessen der USA mit dem Status als dominante Weltmacht verknüpft. Es zeichnet sich aber immer deutlicher ab, dass Trump der Meinung ist, dass außenpolitisches bzw. militärisches Engagement ausschließlich dann gerechtfertigt werden kann, wenn damit ein erheblicher, direkter und in erster Linie wirtschaftlicher Vorteil für die USA verbunden ist.
Für Europa bedeutet das den Verlust eines lange Zeit verlässlichen und sehr oft nachsichtigen Partners. Die Allianz mit den USA war eine wesentliche Säule für die Erfolgsgeschichte Westeuropas nach 1945, die USA waren nicht nur militärische Schutzmacht und wirtschaftliche Stütze, sondern – Stichwort Hollywood, Rock ‘n’ Roll und Coca Cola – auch kulturelle und emotionale Leitkultur für Generationen. Umso bedauerlicher, dass die Europäische Union gerade in dieser Phase tief gespalten ist. Zwischen den unberechenbaren USA, dem egozentrischen Russland und dem expansiven China kann die EU nur geeint und abgestimmt im Spiel bleiben.
Aber dafür das Bewusstsein zu wecken, dabei ist auch der selbst ernannte Brückenbauer Österreich während seiner EU-Ratspräsidentschaft nicht entscheidend weitergekommen.