Welt-Diabetes-Tag im AEC Linz: Glücklich trotz chronischer Krankheit
Viel junges Publikum informierte sich über Innovationen und holte sich Tipps
Dass 600.000 Menschen in Österreich von Diabetes betroffen sind, ist nur eine Zahl. Welche Schicksale und Lebensgeschichten, bittere Erfahrungen und Erfolgserlebnisse dahinterstecken, wurde beim Weltdiabetestag im Linzer Ars Electronica Center (AEC) offenbar. "Spätfolgen motivieren mich nicht. Es geht um ein gutes Leben trotz chronischer Krankheit. Gesundheit ist weniger ein Zustand als eine Haltung", brachte es Diabetiker-Coach Brigitta Veit, die selbst von der Erkrankung betroffen ist, auf den Punkt.
Die Technik hilft
Damit das klappt, sind technische Hilfsmittel unerlässlich. Welcher Sensor ist am besten zum Messen des Blutzuckerspiegels geeignet? Was bringt eine Insulin-Pumpe? Wie managt man die Daten am besten? Nicht nur mit den zahlreichen Referenten und Ausstellern, sondern auch zwischen den Besuchern wurde angeregt diskutiert.
Ob man mit den technischen Hilfsmitteln die Krankheit vergessen kann? "Diabetes ist ein Job, den man nicht abgeben kann. Die Technik erleichtert aber einiges", sagt Gloria Friedl, die an einem Stand ein innovatives Insulinpumpensystem anbot.
In Vorträgen erfuhr das interessierte Publikum viel über den Mechanismus Diabetes, lernte neue Forschungsergebnisse kennen und bekam viele Erfolgsgeschichten präsentiert. Zum Beispiel die von Olympiasieger Matthias Steiner, der es als Diabetes-Betroffener schaffte, sein Wohlfühlgewicht zu erlangen und der bei der Veranstaltung als Schirmherr fungierte.
Berührend und aufrüttelnd zugleich fanden die Besucher den Vortrag der deutschen Bloggerin Lisa Schütte. Unter dem Pseudonym "Lisabethes" berichtet die 29-Jährige, die seit ihrem zehnten Geburtstag an der chronischen Stoffwechselkrankheit leidet, über ihr Leben (lisabethes.de). Im AEC sprach die Germanistik-Studentin das erste Mal vor großem Publikum über ihre zweite Krankheit, das sogenannte Insulin-Purging. Gemeint ist, dass Diabetiker absichtlich auf das Spritzen von Insulin verzichten, um abzunehmen. Ein gefährliches Phänomen, denn durch das Fehlen von Insulin droht ein sogenanntes ketoazidotisches Koma, Organversagen und sogar der Tod.
Video: Matthias Steiner zu Gast beim Welt-Diabetes-Tag
Perfektes Lügengebäude
"Man wird zu einer perfekten Lügnerin", sagt Schütte, die ihr Umfeld über diese gefährliche Praxis nicht informierte. Die Folge: Vor vier Jahren fiel sie ins Koma und musste drei Wochen auf der Intensivstation bleiben. Der Weg zurück war hart, Schütte ließ sich von einer Diätologin beraten, machte eine Psychotherapie und begann zu bloggen. Geheimniskrämereien gibt es keine mehr. Ob sie heute vom Insulin-Purging geheilt ist? "Nein, das ist wie bei trockenen Alkoholikern. Einmal pro Jahr habe ich einen Rückfall", gesteht die junge Frau.