Ein Hoch auf den Genuss!
Ein Stückerl Schokolade, ein gutes Glaserl Wein oder einfach nur ein schöner Spaziergang im Schnee: Warum es so wichtig ist, es sich immer wieder einmal richtig gut gehen zu lassen, erklärt von Hertha Mayr.
OÖNachrichten: Wer nicht genießt, ist ungenießbar, singt schon Konstantin Wecker. Was hindert uns eigentlich daran?
Hertha Mayr: Sehr oft meinen wir es viel zu gut, wollen alles richtig und perfekt machen. Und das erzeugt Druck. Wie zum Beispiel die 10.000 Schritte, die man seiner Gesundheit zuliebe täglich zurücklegen sollte. Die Idee ist ja sicher richtig und gut – aber im Alltag oft nicht zu schaffen. Statt sich also zu zwingen, die vorgeschriebenen Kilometer zu machen, kann man stattdessen einen Spaziergang unternehmen – und den dafür richtig genießen. Denn es bringt alles nichts, wenn man sich dazu so antreiben muss.
OÖNachrichten: Wie lernt man, zu genießen?
Auf Knopfdruck funktioniert das leider nicht, da braucht man schon etwas Übung. Zwei Dinge sind dabei ganz wichtig: Erstens, dass die Gelegenheiten überhaupt sieht – sich also zum Beispiel der traumhaften Winterlandschaft ringsherum bewusst zu werden und die gute Luft einzuatmen, statt über den Schnee zu schimpfen. Genuss hat ja auch viel mit Spüren, Riechen, eben den Sinnen zu tun.
Und zweitens ...
... ist es natürlich auch ganz notwendig, sich Genuss zu erlauben, ihn zuzulassen. Und: sich auch die Latte nicht zu hoch zu legen – genießen kann man auch kleine Dinge. Im Grunde ist es in hohem Maße Einstellungssache, ob man ein Erlebnis wertschätzt oder nur als verlorene Zeit betrachtet.
Genuss ist für viele auch mit gutem Essen und Trinken verbunden. Immer mehr Menschen versagen sich aber einzelne Lebensmittel, verzichten etwa auf Kohlenhydrate oder Milchprodukte oder essen nur nach der Uhr.
In Bezug auf das Fasten gibt es natürlich gute Gründe. Aber eines ist auch klar: Ständig zu überlegen, was und wann man essen darf – das ist das Gegenteil von Genießen.
OÖNachrichten: Wie schmal ist der Grat zwischen Genuss und Sucht?
Ein Zuviel an Essen und Trinken – wie das bei Festen oft der Fall ist – ist nicht automatisch ein Zuviel an Genuss. Im Gegenteil, denn genießen erfüllt einen und macht zufrieden. Wenn man es übertreibt, hat das nichts mehr mit Genuss zu tun – da stecken dann andere Bedürfnisse dahinter.
Bild: Hertha Mayr, Leiterin Department Psychosomatik (KUK)