Eine Winterreise, die sich reizvoll der Düsternis entzog
Tenor Michael Schade und Pianist Rico Gulda verliehen Schuberts Liederzyklus in Kremsmünster Tempo, Verve und viel Hoffnung.
Michael Schade ist sicherlich nicht der lyrische Liedtenor oder der zartbesaitete Romantiker. Er ist vielmehr der Interpret, der mit beiden Beinen in der Wirklichkeit steht und diese auch in Schuberts "Winterreise" entdeckt. Mit Rico Gulda am Klavier präsentierte er sie bei den Stiftskonzerten am Samstag im Kaisersaal des Stifts Kremsmünster.
Schades winterreisender Jüngling ist dabei kein an seinem Schicksal zerbrechender Verlierer, sondern ein Kämpfer, der sich gegen jede Unbill stemmt und seine Krise beinahe selbsttherapeutisch zu überwinden sucht.
Man kann spekulieren, ob das markant gesungene erste Wort "fremd" sicherheitshalber lauter als üblich intoniert wurde oder ob Schade sofort klarstellen wollte, dass diese Reise trotz düsterster Gedanken nicht im Tod endet...
Sein "Leiermann" im letzten Lied des Zyklus dreht wiederum unrhythmisch die Kurbel – als hätte er gefrorene Hände. Doch nicht langsam, sondern schnell, als wollte er sich Energie und Wärme einflößen, als würde er mit seinen Liedern alles Leid überwinden können. Der Leierkasten nicht als Symbol eines möglichen Todes, sondern für das unendliche Auf und Ab im Rad des Lebens.
Positiv in tiefster Depression
Dazu wählt Schade nicht nur bei seinem "Leiermann" durchaus zügige Tempi und gibt so den Liedern ein Moment der Hoffnung, eine gehörige Portion des Auflehnens. Diese Dramatik, die dynamisch manchmal die Grenzen des üblichen Liedgesangs sprengt, kommt einerseits der eher von der Oper geprägten Stimme des Sängers sehr entgegen. Andererseits schafft sie eine Atmosphäre des Drängenden, jugendlich Ungestümen selbst in tragischen Momenten, des positiven Denkens in tiefster Depression. Auch im Lied Nr. 15, der "Krähe", sieht Schade weniger ein Symbol des Todes. Er gestaltet es ungewöhnlich rasch. Fast so, als gäbe es die beklagte "Treue bis zum Grabe" gar nicht und als wäre es töricht, an der Hoffnung darauf zu zerbrechen.
Rico Gulda wandert als Pianist sehr aufmerksam mit Schade. Er reagiert punktgenau auf dessen doch mancherorts ungewöhnliche Gestaltung des Tempos, bleibt aber dennoch respektvoll, beinahe schüchtern im Hintergrund, was nicht nötig gewesen wäre. Durchaus hätten manche Impulse noch stärker vom meisterhaft gespielten Klavier ausgehen dürfen.
Fazit: Diese Winterreise wich von konventionellen Interpretationen ab. Das aber gerade verlieh ihr großen Reiz. Das spürte das Publikum, das die fulminant packende und stimmlich virtuose Gestaltung mit viel Applaus belohnte.