"Ich habe zu pädagogisch gedacht – das war ein Fehler"
Wiener Staatsoper: Das Haus am Ring feiert 150-jähriges Jubiläum – und Direktor Meyer spricht über seinen Abschied.
Es ist wieder einmal keine Neuproduktion, sondern die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf aus dem Jahr 2009, aber immerhin mit Richard Wagners "Rheingold" eröffnet die Wiener Staatsoper heute das Jubeljahr zu ihrem 150. Geburtstag. Richtig gefeiert wird dann am 25. Mai mit der "Frau ohne Schatten" in Festbesetzung (Camilla Nylund, Stephen Gould und Nina Stemme) – Christian Thielemann wird die vor 100 Jahren hier uraufgeführte Richard-Strauss-Oper dirigieren. Ein Höhepunkt des Staatsopernjahres steht freilich erst im Dezember 2019 an – da ist Olga Neuwirths Auftragswerk "Orlando" angesetzt. Es wird erst die zweite Uraufführung in der Amtszeit des seit 2010 werkenden Staatsoperndirektors Dominique Meyer sein. Die erste (die bissige wie gefeierte Gegenwartsgroteske "Die Weiden" von Komponist Johannes Maria Staud) fand erst vor wenigen Wochen am 8. Dezember statt. Nach der Spielzeit 2019/20 wird der Elsässer Meyer das Haus verlassen. Der ehemalige Ö3-Chef Bogdan Roscic wurde vom ehemaligen Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) zum Nachfolger bestimmt – die OÖN berichteten.
Meyer hatte während seiner Amtszeit vier Auftragswerke initiiert. Dass lediglich zwei davon gespielt werden, bedaure er.
Meyer: "Ich bin ein Praktiker"
"Mein Traum wäre gewesen, in jeder Spielzeit eine Uraufführung zu haben. Aber zwischen Traum und Realität klafft manchmal eine Lücke", sagt der 63-Jährige im Gespräch mit der APA. Er sei der Erste, "der enttäuscht ist, wenn es ein Projekt nicht auf die Bühne schafft. Aber das muss man akzeptieren. Ich bin ein Praktiker. Mein Zugang war, dass ich zunächst wichtige Stücke des frühen 20. Jahrhunderts wie ,Mahagonny‘, ,Cardillac‘ oder ,Janacek‘ erstmals am Haus zeigen und darauf dann aufbauen wollte. Aber das habe ich zu pädagogisch gedacht. Das war vielleicht ein Fehler."
Toscanini habe einmal gesagt: "Man muss zuerst an die Kasse gehen, um zu sehen, ob ein Opernhaus funktioniert." Meyer: "Und unsere Kasse ist voll! Wir haben seit Anfang der aktuellen Spielzeit wieder alle Rekorde gebrochen. Und wenn es bei einer Uraufführung wie den ,Weiden‘ 15 Minuten Applaus gibt und an vielen großen Häusern bei einer ,Bohème‘ nicht mehr als zwei Minuten, dann ist das der Beweis, dass das Wiener Publikum etwas Besonderes ist. Die Staatsoper ist ein internationales Haus – aber im besten Sinne auch ein Bezirkstheater für die Wiener."
Auslastung von 98,6 Prozent
Die Republik subventioniert die Staatsoper (950 Mitarbeiter) mit 65 Millionen Euro, der Eigendeckungsgrad des Hauses bei Gesamtausgaben von 118 Millionen Euro pro Jahr beträgt 48 Prozent. Das Haus verzeichnete bei mehr als 400 Vorstellungen in der Spielzeit 2017/18 (Oper, Ballett, Matineen, außerdem Studio Walfischgasse und Matineen im Gustav-Mahler-Saal) insgesamt 608.952 Besucher. Die Karteneinnahmen von 35,3 Millionen Euro bedeuteten ein Rekordergebnis.
3 Fragen an Dominique Meyer
Direktor der Wiener Staatsoper
Der 63-jährige Franzose feiert heuer mit der Wiener Staatsoper das 150-jährige Jubiläum und geht anschließend in seine Abschiedssaison 2019/2020 über.
Ihr Vertrag wurde nicht verlängert. Mit etwas Abstand zur Entscheidung: Überwiegt bei Ihnen noch die Enttäuschung, dass Sie nicht an der Staatsopernspitze bleiben dürfen, oder fokussieren Sie sich schon auf den Aufbruch zu neuen Ufern?
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich wäre gerne hiergeblieben. Aber manchmal entscheidet man nicht selbst im Leben. Ich bin aber nicht verbittert. Einzig das Benehmen einiger Proponenten hat mich enttäuscht, aber auch das werde ich vergessen. Was bleiben wird, ist die Freude, die ich hier empfunden habe. Natürlich gibt es Intrigen, das darf man nicht leugnen. Aber wenn ich mir anschaue, was einige meiner Vorgänger erlebt haben, war das moderat (lacht).
Wäre die neuerliche Führung eines Opernhauses für Sie vorstellbar?
Ich mache das gerne. Aber es muss nicht unbedingt eine Oper sein. Ich möchte mit Musik zu tun haben. Wenn ich das Haus verlasse, werde ich über 3000 Opernaufführungen unter meiner Ägide gehabt haben. Das ist ein Erfahrungsschatz.
Die Leitung der Salzburger Osterfestspiele hätte Sie nicht interessiert?
Es hätte mich interessiert, wenn ich das nicht als Hauptberuf hätte machen müssen. Eine Oper mit zwei Aufführungen und ein paar Konzerte ist mir – bei allem Respekt für die Osterfestspiele – einfach zu wenig. Ich mag den alltäglichen Trubel einer Institution.
Die 150 Jahre Jubelproduktion wird "Frau ohne Schatten sein."
Na, da ist das Linzer Musiktheater mit einer Produktion dieses Werkes schon vorangegangen. Stephen Gould wird in Wien beim "Ring" den Siegfried und bei der "Frau" den Kaiser singen. Wir Linzer erinnern uns an Stephen als Max im Freischütz, Tannhäuser und Peter Grimes noch im alten Haus an der Prom. Damals wussten wir schon, der Kerl ist für höhere Häuser geboren. Wie wär's mit einem Gastengagement für 2 Vorstellungen als Tristan in der aktuellen "Tristan & Isolde" Produktion? Die Einführung könnte / sollte Rene Kollo machen.