Zwischen Dämonie und Wissenschaft
Heute wird der Deutsche Buchpreis verliehen – "Der Vogelgott" hat Chancen.
Susanne Röckels Roman "Der Vogelgott" ist das einzige Buch aus einem österreichischen Verlag, das noch auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis steht.
Wenn es ausgerechnet dieses Buch aus dem kleinen, feinen Salzburger Verlag Jung und Jung schaffen sollte, sich am Montagabend gegen die Konkurrenz aus den großen Verlagshäusern durchzusetzen, wäre es eine Sensation, zumal dieser Roman auch thematisch ziemlich eigenwillig ist.
Die in München lebende Autorin Susanne Röckel erzählt die Geschichte der Familie Weyde, deren Leben auf mysteriöse Weise von einem exotischen Riesenvogel beherrscht wird. Der Familienvater Konrad Weyde, eine unangenehme, autoritäre Figur, ist Ornithologe und konzentriert seinen wissenschaftlichen Ehrgeiz auf eine seltene Vogelart, die in ihrer zivilisationsarmen Herkunftsregion göttliche Verehrung genießt. Gerüchten zufolge huldigt man dem Vogelgott in grausamen Opferritualen.
Konrad Weyde, mittlerweile verstorben, hinterlässt drei erwachsene Kinder. Aus den Perspektiven von Thedor, Dora und Lorenz wird das weitere Geschehen erzählt. Auffällig ist, dass in diesen Lebensberichten der mysteriöse Vogelgott eine dominierende Rolle bekommt. Thedor unternimmt selbst eine verstörende Reise in das Land des Vogelgotts, die Kunsthistorikerin Dora begegnet ihm im Zuge ihrer Forschungen zu Bildern eines Barockmalers, Lorenz wird als Journalist bei Recherchen mit ihm konfrontiert.
Die Folgen der Begegnung sind allemal bedrohlich. Eine Auflösung des Mythos vom Vogelgott, seine Überführung in eine "realistische" Klärung liefert Röckel nicht. So bleibt dieses stilistisch makellose Werk in seinen irrationalen Verknüpfungen vieldeutig.
Es wäre auch nicht ganz abwegig, "Der Vogelgott" als gleichnishafte Erzählung zu lesen, als große Parabel über den Einbruch des Irrationalen, Archaischen und Mythischen in unsere stets gefährdete Kultur der Aufklärung. So bietet sich auch eine zeitkritische, politische Lesart dieses Romans an.
Susanne Röckel: "Der Vogelgott". Roman, Jung und Jung, 266 Seiten, 22,60 Euro
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