Byzanz & der Westen: Vergessene Jahre neu entdecken
Die Byzantiner sahen sich als die wahren Römer. Doch ihre 1000 Jahre als Weltmacht spielen in unserem Gedächtnis keine Rolle. Zu Unrecht, zeigt eine Ausstellung auf der Schallaburg.
Die faszinierende Geschichte des Mittelalters handelt von Neugier und Vorurteilen, von Gier und Faszination, von zwei Welten, die einander vertraut und doch in vielem so fremd waren. Das alles ruft dem Besucher eindrucksvoll die Ausstellung "Byzanz & der Westen. 1000 vergessene Jahre" in Erinnerung. "Es geht uns um die Verbindungen und die Kommunikation zwischen Ost und West sowie um den Raum dazwischen, das Mittelmeer, in dem der Austausch stattgefunden hat", erklärt Falko Daim, einer der Kuratoren.
In der historischen Forschung galt die Zeit vom 4. Jahrhundert an bis ins 15. Jahrhundert lange als vernachlässigbar. Doch heute weiß man, dass diese rund 1000 Jahre grundlegend für den Weg der Aufklärung waren. Auslöser dafür war Konstantin der Große. Er ebnete dem Christentum den Weg zur Staatsreligion, ließ Rom als Hauptstadt schon im Jahr 324 hinter sich und verlegte seine Residenz an den Bosporus: Konstantinopel – das heutige Istanbul – wird damit zum neuen Zentrum des Reiches.
Während Westrom in der Völkerwanderung und damit im Chaos versinkt, retten die Byzantiner – wie sie erst später in der Forschung betitelt werden – nicht zuletzt den Wissensspeicher vorangegangener Jahrhunderte mit der Hochblüte Roms, also des Westens. Zugleich bildet Ostrom auch ein Bollwerk für Europa: Es ist wichtig für das Christentum und befruchtete die Kunst. Dennoch: Auf Ostkirchengeschichte und glänzende Schätze lässt sich die Ausstellung auf der Schallaburg keinesfalls reduzieren. Das goldene Byzanz stand schließlich 2012 im Mittelpunkt einer Schau.
Mit Latein am Ende
Die Schallaburg verbirgt daher auch nicht das Negative, das Trennende zwischen West und Ost. Ganz oben zu finden: die Sprache. Im Osten war man nämlich buchstäblich mit dem Latein am Ende, als das Westreich unterzugehen droht und dies 476 tatsächlich passiert.
Im Osten kultiviert man deshalb stolzes Griechisch. Für die Byzantiner sind die "Westler" zwar gute Kämpfer, aber ungebildete, ungewaschene Barbaren. Umgekehrt gelten die Byzantiner in Europa als reich, aber feige und falsch. Wer positiv denken will, nennt sie gute Diplomaten.
Apropos Diplomaten: Bei allen Vorurteilen bleiben die diplomatischen Beziehungen lange eng. Die Ausstellung zeigt etwa mittelalterliche Vokabellisten und kostbare Bücher, die die Niederösterreicher oftmals als Leihgaben, etwa aus Frankreich bekamen.
Stoffe, Gold und Prinzessinnen
Auch das Geschick der Geschenkdiplomatie nennt Konstantinopel sein Eigen. Dringend benötigte militärische Hilfe wird gerne mit kostbaren Stoffen, Seide, Gold und Reliquien beglichen. Auch eine andere Gier der westlichen Elite können die Edlen aus dem Osten stillen: Sie verheiraten dafür byzantinische Prinzessinnen – unter anderem auch an die Babenberger in Österreich. Schwer in Mitleidenschaft gezogen werden die diplomatischen Bande durch die Krönung des Frankenkönig Karls des Großen (800) zum Kaiser durch den Papst. Dies trägt den Spaltpilz in katholische und orthodoxe Christenheit in sich.
Eroberung durch Kreuzfahrer
Die scheinbar friedliche Koexistenz der Reiche erfährt 1204 ein abruptes Ende. Die Eroberung Konstantinopels durch französische und venezianische Kreuzfahrer auf dem Weg ins Heilige Land leitet den politischen Niedergang Byzanz ein (Konstantinopel wird 1453 von den Osmanen erobert). Hingegen kommt es kulturell noch zu einer letzten Blüte, die auf den lateinischen Westen, vor allem auf Italien ausstrahlt. Byzanz, so Kurator Daim, fungierte als Brücke der Antike zur Moderne. "Wir verdanken Byzanz jede Menge Wissen, ohne das die Renaissancezeit kaum möglich gewesen wäre, so wie wir sie erlebt haben."
Den Kuratoren gelang eine fantastische Schau, die eine lange vergessene Zeit ins Heute holt. Exponate aus namhaften Sammlungen wie dem Pariser Musée du Louvre, der Schatzkammer von San Marco in Venedig oder dem Israel-Museum in Jerusalem machen "Byzanz & der Westen" zugleich zur wertvollsten Ausstellung auf der Schallaburg.
Byzanz & der Westen – Ausstellungsinformationen
Die Schallaburg ruft mit der Ausstellung „Byzanz & der Westen. 1000 vergessene Jahre“ bis 11. November 2018 die Geschichte des Mittelalters ins Gedächtnis.
Die Ausstellung ist eine Entdeckungsreise für Klein und Groß: Es warten interaktive Spiele, Hörstationen und ein Mitmach-Heft.
Neueste Forschungsergebnisse aus unterschiedlichsten Forschungsprojekten erzählen die lebendige Geschichte eines imposanten Weltreiches und schaffen ein facettenreiches Bild europäischer Geschichte.
In der Ausstellung kommen die Forscher auch selbst zu Wort und berichten in Interviews über ihre Arbeit. Bei der Veranstaltungsreihe „Vorhang auf für die Wissenschaft“ gibt es jeden Sonntag bis 7. Oktober 2018 (jeweils 14 bis 15 Uhr) die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Dies ist auch auf der Schallaburg-Homepage möglich (www.schallaburg.at).
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8 bis 17 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertag: 9 bis 18 Uhr, Kassaschluss jeweils eine Stunde vorher. Tel.: 02754 / 6317 0.
Eintrittspreise für Erwachsene 11 Euro; für Kinder (6 bis 18 Jahre) 3,50 Euro; für Senioren, Studenten, Präsenz- und Zivildiener 10 Euro; Familienkarten gibt es um 10 bzw. 20 Euro.
Führungen von Montag bis Freitag: 10.30, 14 Uhr; an Samstagen: 10.30, 13, 14 Uhr; an Sonn- und Feiertagen: 10.30, 12, 13, 14, 15 Uhr. Familienführung: Sonn- und Feiertag: 14.30 Uhr.