"Uns fehlt noch einiges zum Silicon-Valley-Spirit"
Wirtschaftsprofessor Robert Breitenecker über die Kultur des Scheiterns und demokratische Unternehmensführung
Österreich fehle es an einer Fehlerkultur. Diese sei auch für Gründungen und das Führen von Unternehmen ganz wichtig, sagt Robert Breitenecker, Universitätsprofessor für Innovationsmanagement an der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU) und wissenschaftlicher Leiter der Linzer Managementschmiede Limak Business School, im Gespräch mit den OÖNachrichten.
Inwieweit kann man die Führung eines Unternehmens lernen?
Breitenecker: Führung kann natürlich auch erlernt werden. Generelle Persönlichkeitseigenschaften, die den offenen Umgang mit Menschen unterstützen, wirken sich aber sicherlich positiv auf die Führungsarbeit aus. Skills, Methoden und Tools zur Führung lassen sich erlernen, man kann aber auch durch den Austausch von Erfahrungen mit anderen Führungskräften profitieren. Wir vermitteln an der JKU natürlich in den Studienprogrammen im Managementbereich Führungsmethoden und arbeiten beispielsweise in den Global-Business-Masterprogrammen an den interkulturellen Kompetenzen der Studierenden, damit sie in kulturell gemischten Teams entsprechend arbeiten können und in international oder global agierenden Unternehmen einsetzbar sind. Wir entwickeln jene Kompetenzen, die in Zeiten der Globalisierung immer bedeutender werden. Letztlich bedeutet aber Führung Arbeit mit Menschen, und der richtige Umgang mit ihnen und die Förderung von ihnen gewinnt an Bedeutung.
Im Vergleich zum einstigen autoritären Führungsstil.
Der ist Geschichte. Dass man eine einsame Entscheidung trifft und diese dann von oben durchdrückt, das hat es früher gegeben. Heute sind Gespür, Empathie und die gemeinsame Erarbeitung von Entscheidungen im Team viel wichtiger.
Haben wir es hier mit einer Demokratisierung des Führungsstils zu tun?
Wahrscheinlich schon. Kollaborative Führung findet schon in vielen Bereichen statt.
In Vorständen großer Konzerne sitzen nicht nur Betriebswirte, Juristen oder Techniker, sondern auch Psychologen. Muss man dann noch von Chemie eine Ahnung haben, wenn man einen Chemiekonzern führt?
(lacht) Natürlich ist Inhalt wichtig. Man muss sich schon auskennen. Aber der Umgang mit den Menschen gewinnt an Bedeutung.
Kooperative Führung ist freilich nicht in jedem Land Standard. Gerade in Konzernen treffen verschiedenste Führungskulturen aufeinander. Wie soll man damit umgehen?
In unserem Masterprogramm "Global Business" ist der Umgang mit unterschiedlichen Kulturen ein wesentlicher Bestandteil. Leben und studieren in drei unterschiedlichen Ländern oder Kontinenten, das Lernen und Arbeiten mit Studierenden aus diversen Kulturen schärft in diesem Masterprogramm das interkulturelle Verständnis und erweitert die interkulturellen Kompetenzen der Studierenden. Auch in Österreich werden kulturell homogene Belegschaften seltener, und die angesprochenen Kompetenzen werden in der Arbeit – und vor allem in der Führungsarbeit – immer wichtiger.
Was können österreichische Führungskräfte besser als andere?
Es ist auffällig, dass sich viele österreichische Führungskräfte international durchsetzen, weil sie offensichtlich offen sind und gut mit anderen Menschen umgehen können.
Und wo gibt es hierzulande noch Aufholbedarf?
Bei den digitalen Management-Tools. Wir bieten auf der Limak eine Reihe von Seminaren, die sich damit befassen. Führung ohne Digitalisierung gibt es praktisch nicht. Firmen verfügen über eine Menge Daten. Es gilt, diese auszuwerten und für das eigene Geschäft zu nutzen. Die Konkurrenz macht das. Und wer es nicht tut, bleibt mit der Zeit auf der Strecke.
Was die Gründung von Unternehmen betrifft, hat Österreich ebenfalls Nachholbedarf. Auch an der Universität gibt es noch zu wenig Spin-offs. Warum wollen die jungen Österreicher lieber Beamte als Unternehmer werden?
Manchmal fehlt uns der Glaube an uns selbst, auch international erfolgreich sein zu können. Ein Problem sehe ich auch darin, dass wir in Österreich im Vergleich zum US-amerikanischen Raum eine unterentwickelte Fehlerkultur haben.
Dazu müssen wir auch unser Bildungssystem ändern, das zum Teil noch viel zu wenig darauf bedacht ist, die Stärken zu stärken, weil man einen Fünfer ausbessern muss.
Natürlich. Jeder lernt in der Schule, keine Fehler zu machen. Dabei ist es wichtig, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Das gilt übrigens auch für die Führung. Man sollte Mitarbeiter einbinden, Entscheidungen treffen lassen und Fehler als Teil des Entwicklungsprozesses sehen. Der Unternehmer übernimmt mit der Gründung des Unternehmens ein Risiko. Vergessen wir nicht, dass dieses Risiko auch schlagend werden kann. Schauen wir uns neben den Gründungszahlen daher auch die Zahl jener an, die scheitern, und vergessen bzw. verdrängen wir diese nicht. Zum Gründen gehört daher auch das Scheitern dazu. In den USA gehört das Scheitern zum Teil der Erfolgsgeschichte. Das heißt nicht, dass man eine Firma nach der anderen in den Sand setzen soll. Aber in Österreich ist man nach dem ersten Mal stigmatisiert, bekommt später kaum noch einen Kredit von der Bank oder nicht einmal ein Konto. Zum Silicon-Valley-Spirit fehlt uns noch einiges.
Was brauchen wir noch?
Mehr Role Models wie Runtastic. Dieses Gründerteam hat vorgezeigt, dass man von Österreich aus ein international erfolgreiches Unternehmen gründen kann. Wir brauchen mehrere solcher Vorbilder.
Wären Sie ein guter Unternehmer?
Ich wäre möglicherweise zu wenig risikofreudig, weil ich gerne Dinge mehrfach abwäge. Ob ich auch eine gute Führungskraft bin, sollten am besten meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beurteilen.