Afghanistan-Experte: „Kriminelle müssen konsequent zurückgeschickt werden“
STEYR/LINZ. Nach dem Mord an der 16-jährigen Michelle F. sind noch viele Fragen offen. Trauer und Bestürzung sind groß. Aber auch die Wut auf den mutmaßlichen Täter Saber A. aus Afghanistan, der Dienstagnachmittag in Wien festgenommen wurde.
Nachdem am Sonntag eine 16-Jährige in ihrem Kinderzimmer in Steyr getötet worden ist, hat sich der tatverdächtige Freund des Opfers am Dienstag in Wien gestellt. Der 17-jährige Afghane wurde am Bahnhof Floridsdorf festgenommen. Er sollte noch im Lauf des Tages zur Einvernahme nach Linz überstellt werden. Nach dem Burschen war europaweit gefahndet worden.
Warnung vor Generalverdacht
Dass Asylwerber aus Afghanistan nun in einer ersten Reaktion pauschal verurteilt werden, kann der Afghanistan-Experte und Politologe Sarajuddin Rasuly nachvollziehen. Im OÖN-Gespräch warnt er jedoch vor einem Generalverdacht: „Es gibt eine Minderheit, die ihre Hemmschwelle zur Gewalt völlig abgelegt hat.“ Und diese müsse auch konsequent zurückgeschickt werden. „Der Großteil der Afghanen aber lebt friedlich in Österreich und fragt sich selbst, wie sie dazukommen, wegen dieser Kriminellen in Verruf zu geraten.“ Ein großes Problem sei, so Rasuly, dass in Afghanistan Frauen als zweitrangige Menschen betrachtet werden. „Sie haben kaum Rechte und müssen den Männern untertänig sein.“
Er fordert, dass man Afghanen, die nach Österreich kommen, mit Wertekursen klarmachen müsse, dass es hier nicht so gehe.
Handy-Lokalisierung erfolgreich
Das Mobiltelefon des 17-Jährigen war nach der Tat einmal in Wien geortet worden, dann aber inaktiv, hatte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Steyr, Andreas Pechatschek, kurz vor der Festnahme erklärt. Der Verdacht, dass sich der Jugendliche nach Wien abgesetzt haben könnte, war bereits zuvor medial kolportiert worden, zudem hatten die Ermittler ein Fahndungsbild und den Namen des Burschen veröffentlicht.
Die Polizei geht davon aus, dass der Fahndungsdruck zu groß für ihn geworden sei und er sich daher schließlich gestellt habe. Laut Wiener Polizei meldete sich der Tatverdächtige um 12.50 Uhr telefonisch am Notruf, gab seinen Aufenthaltsort bekannt und ließ sich dann widerstandslos festnehmen. Er wurde demnach von Ermittlern des Landeskriminalamts Wien eindeutig identifiziert. Der 17-Jährige soll in den kommenden Stunden nach Linz überstellt und dann einvernommen werden.
Die wahrscheinliche Tatwaffe sei ein Messer, das im Zimmer des Mädchens gefunden wurde, so Pechatschek. Die Ermittler würden Tatortarbeit leisten, etwa das Messer genau untersuchen. Ein Hammer und ein Stanleymesser, die ebenfalls im Zimmer des Mädchens gefunden wurden, hätten mit der Tat nichts zu tun, so der Staatsanwalt.
Eine Obduktion hatte ergeben, dass ein Messerstich in die Lunge des Mädchens tödlich war. Sie sei innerlich verblutet, "das erklärt, warum am Tatort nicht so viel Blut war", erläuterte Pechatschek. Wann genau die Bluttat passierte, lasse sich nicht sagen.
"Du warst die beste Schwester. Ich liebe dich für immer und ewig", postete Nadine F. aus Steyr gestern auf ihrer Facebookseite. Wenige Stunden zuvor hatte die junge Frau gemeinsam mit ihrer Mutter die Leiche ihrer kleinen Schwester Michelle (16) in deren Kinderzimmer gefunden. Sie war mit einem Messerstich in den Rücken getötet worden. Als mutmaßlicher Täter gilt der Freund des Mädchens, der 17-jährige afghanische Staatsbürger Saber A.
Seit Sonntagabend ist im Steyrer Stadtteil Münichholz nichts mehr, wie es einmal war. Der Mord im Kinderzimmer in der kleinen Wohnung im Hochparterre des Mehrparteienhauses in der Leo-Gabler-Straße macht fassungslos und traurig.
Beziehungstat?
Es dürfte eine Beziehungstat gewesen sein. Laut ermittelnden Beamten hatte der Afghane, der in einem Asylheim der Volkshilfe in unmittelbarer Nähe untergebracht ist, seine Freundin Sonntagabend besucht. Als Mutter und Tochter später nach Michelle schauen wollten, war die Tür mit einem Kasten verbarrikadiert. Als sie es ins Zimmer schafften, bot sich ihnen der schreckliche Anblick des leblosen Mädchens. Von A. fehlte jede Spur. Das Fenster im Kinderzimmer stand offen. Bei der Tatwaffe handelt es sich laut Staatsanwalt Andreas Pechatschek höchstwahrscheinlich um ein Küchenmesser, das am Tatort sichergestellt wurde.
"Ich bin schockiert. Ich hätte nie geglaubt, dass hier so etwas passieren kann", sagt Christian Riedler. Der 54-Jährige wohnt im ersten Stock schräg oberhalb der Familie des Opfers.
Die alleinerziehende Mutter von drei Töchtern habe zurückgezogen gelebt, sagt Riedler. Michelle, mit 16 Jahren das Nesthäkchen der Familie, sei manchmal mit dem Hund spazieren gegangen: "Den Freund hat sie seit drei, vier Monaten gehabt. Ich hab ihn nicht oft gesehen, er war ein komischer Typ." Streit habe er aber nie mitbekommen. Laut Staatsanwaltschaft führten das Opfer und der Verdächtige eine On-off-Beziehung. A. soll vor drei oder vier Jahren nach Österreich gekommen sein. Anfänglich lebte er in Wien, zog aber im Mai dieses Jahres in ein Heim für Asylwerber nach Steyr. Als nett und unauffällig beschreibt ein Bursch aus der Nachbarschaft die junge Michelle: "Man hat sich halt vom Sehen gekannt, mehr nicht." Eine Aussage, die gestern häufig in der Nachbarschaft zu hören war.
- "Wir müssen uns unangenehme Fragen stellen", schreibt OÖN-Redakteur Philipp Hirsch in seinem Kommentar.
"Es bestanden Freundschaften"
Bis zum Sommer hatte Michelle F. die HLW Steyr besucht. Plötzlich habe sie die Schule ohne Abschluss abgebrochen, vermutlich, um eine Lehre zu beginnen, sagt Direktor Ewald Staltner.
Der Schulleiter hat vom Verbrechen während der Friedenslichtreise der Schule zum Europaparlament in Straßburg erfahren: "Heute haben unsere Schüler frei, aber gleich morgen werden wir Michelles ehemalige Klassenkameraden intensiv betreuen. Wir lassen die Schüler in dieser Situation nicht alleine, es bestanden ja Freundschaften."