Helmi auf dem Oberösterreicher-Ball
Othmar Thann organisiert auch heuer wieder den "Ball der Oberösterreicher" in Wien. Trinken und Fahren ist streng verboten: Denn der 59-Jährige ist im Brotberuf Chef des Kuratoriums für Verkehrssicherheit.
Jeden dritten Samstag im Jänner verwandelt sich das Austria Center in eine Trachtenhochburg: Rund 5000 Oberösterreicher – aus dem Bundesland mit Bussen angekarrt oder Zuag’raste, die in der Bundeshauptstadt leben – tanzen auch heute wieder in Dirndl und Lederhose auf dem Wiener Parkett auf.
Das Austria Center ist wenig charmant, doch die Hofburg will und kann sich der Vorsitzende des Vereins der Oberösterreicher in Wien, Othmar Thann, nicht leisten. Das Ball-Ticket würde dann nicht 39, sondern 95 Euro kosten, das Catering wäre teurer, rechnet er vor. Und sofort hebt Thann das Positive hervor: "Anders als auf anderen Bällen sind hier nicht die Schicki-Mickis, es gibt keine Hierarchie unter den Gästen."
Thann auf dem OÖ-Ball mit Minister Alois Stöger, dessen Gattin und Landeshauptmann Josef Pühringer.
Seit zwei Jahren steht der 59-Jährige dem Verein der Oberösterreicher in Wien vor, dessen wichtigste Aufgabe es ist, alljährlich den Ball zu organisieren. 1100 Mitglieder zählt das geschichtsträchtige Sammelbecken für in Wien gestrandete Mostschädl. Ganz nebenbei erzählt Thann von früheren Geselligkeitsvereinen und deren prominenten Mitgliedern. Seine Leidenschaft für Geschichte ist spürbar. Und im Gegensatz zu manch anderem Hobbyhistoriker zeigt er Zusammenhänge spannend auf, ohne zu dozieren.
Ein Freund brachte Thann zum Verein, die Tätigkeit übt er ehrenamtlich aus. Man müsse der Gesellschaft auch etwas zurückgeben, sagt er. Der Ball ist nicht die einzige Gelegenheit für Oberösterreicher, sich "dahoam in Wean" zu fühlen: Es gibt regelmäßige Stammtische, interessante Vorträge (im März referiert Gexi Tostmann über die Bedeutung der Tracht) und Ausflüge (im Herbst nach Madrid).
Thann scheint wie prädestiniert für den Job, er erinnert in seinem Gestus an die alteingesessenen Oberösterreicher: gesellig, im Auftritt unprätentiös, der Natur verbunden, einer mit Handschlagqualität.
Foto aus jungen Jahren: Der Naturbursch auf dem Berg
Am 10. Oktober 1956 wurde Thann in Schwanenstadt geboren. Der bevorstehende 60. Geburtstag falle ihm nicht nur leicht, gibt er unumwunden zu. Als Bub wuchs er in Attnang-Puchheim auf, besuchte in Vöcklabruck die Handelsakademie, es folgten Präsenzdienst, das Studium der Germanistik und Philosophie und zum Drüberstreuen ein Doktorat der Rechtswissenschaften.
Mittelalter und Linksverkehr
Seine Leidenschaft galt dem Mittelhochdeutschen, so schien es nur schlüssig, auch das damalige Rechtssystem zu studieren. Zusätzlich beschäftigte er sich mit Dialektologie. "Ich kann allein von der Wortwahl genau unterscheiden, woher jemand kommt."
Irgendwie wirkt es verwunderlich, dass der Germanist, Philosoph und Jurist letztlich bei den sperrigen Verkehrsagenden gelandet ist. Doch wenn er über die Entstehung des Linksverkehrs oder die Zukunft der selbstfahrenden Autos erzählt, ist derselbe Enthusiasmus spürbar, wie wenn er vom Auftritt der Glöckler beim letzten Oberösterreicher-Ball schwärmt.
Kuratoriums-Maskottchen Helmi
Nach dem Studium fing der damals 27-Jährige im Verkehrsministerium an. Begonnen hatte Thann unter Kurzzeitminister Ferdinand Lacina, als er aus dem Ressort ausschied, war Caspar Einem Minister.
Im Haus war Thann zum stellvertretenden Sektionschef aufgestiegen. Ob er denn ein Parteibuch habe? "Meine Unabhängigkeit war mir immer wichtig", beteuert der Ball-Chef. Seine Eltern hätten ihm beigebracht: "Auffallen tut man durch Leistung." Sektionschef wurde er schließlich nie.
Als 1998 ein neuer Geschäftsführer des Kuratoriums für Verkehrssicherheit gesucht wurde, ermunterte ihn der abgehende Amtsinhaber, sich zu bewerben. Thann konnte sich unter den 26 Bewerbern als Bester durchsetzen.
Das Kuratorium war 1959 von österreichischen Versicherungen gegründet worden, mittlerweile beteiligen sich auch die Autofahrerclubs ÖAMTC und ARBÖ sowie die Unfallversicherung. "Die Grundidee war, dass man die Verkehrssicherheit in Österreich verbessert."
Alkotests und Führerschein
Erst zu Jahresanfang war Thann in allen Medien präsent und forderte Maßnahmen gegen die steigende Zahl von Toten im Straßenverkehr: Er sprach sich für die Verlängerung des Probeführerscheins aus, warnte vor der Ablenkung durch das Handy am Steuer und appellierte, die Gurtpflicht einzuhalten. Jeder Vierte, der auf der Autobahn stirbt, ist nicht angeschnallt, klagt er.
Thann kann auch Erfolge aufweisen – wie die Einführung des Alkovortestgeräts oder den mehrstufigen Jugendführerschein. "Es werden heute viel weniger Menschen im Verkehr alkoholisiert angetroffen. Als man die Promillegrenze von 0,8 auf 0,5 abgesenkt hat, war das ein Paradigmenwechsel."
Die Themen werden Helmi, dem Helferchen im Straßenverkehr, nicht ausgehen. Aktuell forscht das Kuratorium, wie der Mischverkehr zwischen geführten und selbstfahrenden Autos in der Übergangsphase funktionieren wird.
Liebe vor dem Vatikan
Fast jedes Wochenende fahren Thann und seine Ehefrau mit dem Auto nach Oberösterreich. Kennengelernt hat er Maria-Elisabeth als 18-Jähriger bei einer Pilgerreise nach Rom. Sie kommt ebenfalls aus Attnang, erblickt hat er seinen Lebensmenschen dennoch erstmals vor den Toren des Vatikans. Die beiden haben fünf Patenkinder.
Religion ist dem geerdeten Oberösterreicher wichtig. "Das Christsein ist ein wesentliches Element des Menschseins. Es geht um Grundwerte eingebettet in eine Gemeinschaft", sagt Thann und wirkt dabei keineswegs pathetisch.
In Wien lebt die Familie im 19. Bezirk, in Attnang hat sie ein Haus und in Aurach am Hongar ein paar Hektar Wald. Mehr als 3000 Bäume hat er selbst gepflanzt. "Ich arbeite gerne mit den Händen." Ob er in ein paar Jahren von Wien nach Oberösterreich zurückzieht, lässt Thann dann doch offen. Irgendwie mag er beide Welten.
Thann und seine Frau Maria-Elisabeth
Nachgefragt
Heimat ist für mich... zuhause in Oberösterreich.
Heimweh nach Oberösterreich bekomme ich... wenn ich zu lange in Wien bin.
Das fehlt mir in Wien aus Oberösterreich… gutes Essen, Most und eine Gaudi.
Mein Lieblingsplatz in Wien... die Innenstadt.
Der größte Unterschied zwischen Wienern und Oberösterreichern ist... Wir gehen sehr offen und ehrlich miteinander um.
Zahlen und Fakten
70.000 Oberösterreicher leben in Wien, weshalb Landeshauptmann Josef Pühringer (VP) die Bundeshauptstadt scherzhaft gerne als zweitgrößte Stadt Oberösterreichs bezeichnet und Wiens Stadtoberhaupt Michael Häupl (SP) als seinen „zweitwichtigsten Bürgermeister“.
1100 sind Mitglieder des Vereins der Oberösterreicher in Wien. Organisiert werden gemeinsame Reisen, Stammtische, Vorträge und als alljährliches Highlight der Ball der Oberösterreicher in Wien, heuer im Zeichen der Region „Wels-Land“. Der Vereinsbeitrag beläuft sich auf 29 Euro im Jahr, Studenten zahlen weniger.
1885 wurde der Verein der Oberösterreicher in Wien gegründet. Die Tradition geht noch weiter zurück: Schon früher hatten sich Oberösterreicher in Geselligkeitsvereinen in Wien getroffen. Prominente Beispiele sind Adalbert Stifter und Anton Bruckner.