Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Zehn Stiche mit Schraubenzieher: Geschworene beraten

Von Thomas Streif, 24. September 2024, 16:13 Uhr
Artikelbilder
Seit neun Uhr muss sich der Angeklagte im Rieder Schwurgerichtssaal wegen versuchten Mordes verantworten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

RIED. Wegen des Verbrechens des versuchten Mordes und schwerer Nötigung muss sich im Landesgericht Ried seit neun Uhr ein 37-jähriger Türke verantworten. Der Angeklagte soll, wie berichtet, am 28. April mehrfach mit einem Schraubenzieher auf einen ehemaligen Geschäftspartner, mit dem er ein Burgerlokal betrieb, eingestochen haben.

Der Vorfall ereignete sich in einem Pizza-Kebaplokal in Ried. Dabei erlitt dieser lebensgefährliche Verletzungen an der Lunge. Der Tat dürfte ein langer Streit der beiden Männer vorausgegangen sein. Die Geschäfte des gemeinsamen Lokals liefen schlecht, das Verhältnis der ehemaligen Freunde verschlechterte sich nach und nach. „Das Video wird mehr als tausend Worte aussagen“, sagte Staatsanwalt Paul Fellner beim Vortrag der Anklage. „Nach neun Stichen kam es erneut zu einem Gerangel zwischen dem Angeklagten und dem Opfer. Der Angeklagte holte aus und rammte dem Opfer den Schraubenzieher mit viel Druck in das rechte hintere Schulterblatt“, sagte Fellner. Der Schwiegervater des Angeklagten, der als Mittäter dabei war, wird gesondert verfolgt. Schon Monate zuvor habe es schriftliche Drohungen gegeben. "Sinngemäß drohte der Angeklagte dem Opfer, dass er ihn Blut husten lasse und er wisse, wie man das Geld rauspressen werde", sagte Staatsanwalt Fellner.

Mehr zum Thema
Ex-Geschäftspartner mit Schraubenzieher in Lokal niedergestochen
OÖNplus Innviertel

Schraubenzieher-Attacke in Pizza-Kebap-Lokal: Anklage wegen versuchten Mordes

RIED. Wegen versuchten Mordes muss sich demnächst ein 37-Jähriger vor einem Geschworenengericht in Ried verantworten.

Schlüssel des Beweisverfahrens dürfte ein Video der Tat werden. „Man muss sich das Video mehrfach anschauen, da werden sie auf entscheidende Details draufkommen“, sagte Verteidiger Andreas Mauhart. „Mein Mandant hat in seinem ganzen Leben von der Jugend an bis jetzt durchgearbeitet. Sein Nachteil ist, dass er nicht der Hellste ist. Er kann bis heute nicht Deutsch und wird keinen Nobelpreis kriegen. Er kennt sich auch in der Buchhaltung nicht aus. Er ist aber ein fleißiger Arbeiter, der Kebap und Pizza machen kann“, sagte Mauhart.

Das Opfer habe die Naivität des Angeklagten, der wie ein Tier sieben Tage die Woche gearbeitet habe, schamlos ausgenutzt, vor allem finanziell. Plötzlich sei die Polizei vor der Tür seines Mandanten gestanden und habe ihm mitgeteilt, dass er von nun an gepfändet werde. „Er fiel aus allen Wolken“, sagte Mauhart. Sein Mandant habe seine Firma und Ersparnisse verloren. „Ja, den Schraubenzieher hat mein Mandant bewusst mitgenommen, um sich, falls es Ärger gibt, verteidigen zu können. Er hat gegenüber der Polizei gesagt, dass er kein Messer genommen habe, damit nichts Schlimmes passiert“, sagte Mauhart. „Ja, mein Mandant wollte ihn verletzten, das hat er bei der Polizei auch so gesagt, aber er wollte nie jemand umbringen. Er war ein Hund, den man so lange getreten hat, bis er zugeschnappt hat“, sagte Mauhart, der mit schwerer Körperverletzung argumentiert.

"Ich bereue das Ganze", sagte der Angeklagte zu Beginn seiner Befragung. Er habe aber nicht die Absicht gehabt,  seinen ehemaligen Geschäftspartner zu töten. Der 37-Jährige, der im Mai 2011 nach Österreich kam, bekannte sich zum Vorwurf des versuchten Mordes nicht schuldig, zu einer absichtlichen schweren Körperverletzung schon. 

Sein ehemaliger Geschäftspartner sei spielsüchtig gewesen, 340.000 Euro seien so abhanden gekommen. Er sei von ihm mehr oder weniger bestohlen und immer wieder belogen worden, sagte der Angeklagte. "Sie kennen ihn nicht. Wenn er hier eine Stunde redet, werden Sie ihm ihr Geld übergeben. Er kann Leute hochprofessionell manipulieren", sagte der Angeklagte zum vorsitzenden Richter des Geschworenensenats, Andreas Rumplmayr. Er selber sei leider ein "dummer Mensch, ein Esel" gewesen" sparte der 37-Jährige nicht mit Selbstkritik. Er sei selber vom Opfer wiederholt massiv bedroht worden, sagte der Angeklagte, dessen Aussagen von einem Dolmetscher übersetzt werden. 

Den Schraubenzieher habe er sich, nachdem er die Batterie für ein Spielzeug seines Kindes getauscht hatte, eingeschoben. "In einem Dönergeschäft gibt es viele Messer", rechtfertigte sich der Beschuldigte. Eine Aussage, die Spielraum für Interpretationen zuließ. "Ich habe erst im Fahrzeug bemerkt, dass ich ihn mithabe, ihn dann aber nicht mithabe, sagte der Angeklagte auf Nachfrage von Richter Rumplmayr. "Bei der Polizei haben sie offenbar ausgesagt, dass sie den Schraubenzieher, aber kein Messer bewusst von daheim mitgenommen haben", führte Rumplmayr ins Treffen. "Ich hätte von daheim ein 20 Zentimeter langes Messer mitnehmen können. Mit zwei Stichen wäre es erledigt gewesen", sagte der Beschuldigte. 

Sein ehemaliger Geschäftspartner sei zuerst auf ihn losgegangen. Es habe sich eine Rangelei entwickelt. Er sei unterlegen gewesen. "Ich habe den Schraubenzieher rausgenommen, die Augen zugemacht und eingestochen, weil ich Angst hatte. Wohin, weiß ich nicht. Es war eine Dummheit von mir, aber ich habe geglaubt, dass er ein Messer hat, sagte der 37-Jährige, der seit der Tat in der Justizanstalt Ried in Untersuchungshaft sitzt. Er sei, weil er so dreist betrogen wurde, "sehr zornig" gewesen, räumte er ein. Einer von mehreren Gründen für den Streit der beiden Männer dürften zahlreiche nicht bezahlte Strafzettel für das Falschparken eines gemeinsamen Firmenautos gewesen sein. 

Er sei der Meinung gewesen, dass sein Kontrahent ein Messer gehabt habe. "Gesehen habe ich das aber nicht", sagte der Beschuldigte, der immer wieder betonte, völlig über den Tisch gezogen worden zu sein. "Sie haben gesagt, dass sie die Augen geschlossen hatten. Ist es nicht gefährlich, die Augen geschlossen zu haben, wenn man glaubt, dass der Kontrahent ein Messer hat", zeigte sich die beisitzende Richterin Sonja Hofbauer eher verwundert.

Video der brutalen Tat nichts für schwache Nerven

Richter Rumplmayr spielte das Video der Tat in verschiedenen Geschwindigkeiten mehrfach im Schwurgerichtssaal vor. Dabei sind mehrere wuchtige und brutale Stiche zu sehen. Der Schwiegervater des Beschuldigten, so sieht es auf dem Video aus, hält das Opfer, zumindest für eine gewisse Zeit, fest. Gegen ihn dürfte ein gesondertes Verfahren  wegen Beihilfe zur Körperverletzung laufen. Man sieht auch, wie jemand eingreift, um noch Schlimmeres zu verhindern. Anschließend fallen noch heftige gegenseitige Beschimpfungen. Es sind zielgerichtete Stichbewegungen zu sehen. Dementsprechend zweifelte Rumplmayr an der Behauptung des Angeklagten, dass er bei der Tat durchgehend die Augen geschlossen hatte. 

Öffnung der rechten Lungenhöhle 

Ein Stich habe, so ein medizinischer Gutachter, zu einer Öffnung der rechten Lungenhöhle geführt. Dadurch habe Lebensgefahr bestanden. Grund dafür sei ein "Spannungspneumothorax", der zu einem Erstickungs- oder Herztod führen könne. Es komme dadurch zu einem "ventilartigen Mechanismus". Dadurch dringe Luft in die Lungenhöhle ein, könne aber nicht mehr entweichen, wodurch es zu einer Druckerhöhung komme, so der Gutachter. Insgesamt habe er sieben Stiche in Kopf, Hals, Nacken und den Brustkorb gezählt. 

Das 34-jährige Opfer bestritt, dass er den Angeklagten betrogen oder ausgenommen habe. Beide hätten sich immer gleich viel Geld von den Einnahmen des Restaurants genommen. Seit der Tat fühle er sich arbeitsunfähig. "Ich habe noch immer Schmerzen und kriege manchmal nur schlecht Luft", sagte der Mann.  Der Schwiegervater sagte im Zeugenstand, dass er den Streit schlichten wollte. Er habe die Kontrahenten trennen wollen. "Jeder hätte das genauso gemacht wie ich." Die Bilder der Überwachungskamera könnte man auch anders interpretieren. 

Ein Mann, der im Lokal anwesend war und versuchte, die Kontrahenten zu trennen, sagte im Zeugenstand, dass der Schwiegervater das Opfer am Kopf festgehalten habe. Das Video gibt darüber keine detaillierten Aufschlüsse. "Hätte der Angeklagte aufgehört, wenn sie nicht dazwischen gegangen wären", wollte Staatsanwalt Fellner vom 43-jährigen Zeugen wissen. "Er hat erst aufgehört, nachdem wir sie voneinander getrennt haben. Er hätte weitergemacht", antwortet der 43-Jährige. 

"Er hätte versucht, weiter zuzustechen" 

"Das Opfer würde sicher auch nicht mein bester Freund werden. Ich bin überzeugt, dass nicht alles völlig korrekt abgelaufen ist", sagte Staatsanwalt Fellner in seinem Schlussplädoyer. Damit meinte er die geschäftlichen Beziehungen und Verbindungen der beiden. Das sei aber überhaupt nicht wesentlich. "Sie müssen sich die Tatsachen, die sie auf dem Video gesehen haben, vor Augen halten", sagte Fellner in Richtung der Geschworenen. "Es ist eindeutig zu erkennen, dass er zehn Mal zugestochen hat. Beim letzten Stich hat er sich sogar auf das Opfer draufgelegt und Kraft ausgeübt. Hätten die Zeugen nicht eingegriffen, hätte der Angeklagte nicht aufgehört. Im Gegenteil, er hätte versucht, weiter zuzustechen", sagte Fellner. 

"Die Frage, ob er es war oder nicht, stellt sich hier nicht. Sie müssen 'nur" entscheiden, was mein Mandant in dem Augenblick, in dem er zugestochen hat, gedacht hat", sagte Verteidiger Andreas Mauhart zu Beginn seines Schlussplädoyers. Das Beweisverfahren des Gerichts bezeichnete er als außerordentlich fair und objektiv. Der Schwiegervater habe versucht, so Mauhart, das Opfer wegzuziehen. "Es macht einen Riesenunterschied, ob ich die Absicht habe, jemanden absichtlich schwer zu verletzen oder jemanden zu töten", sagte Mauhart. Der Vorwurf des versuchten Mordes sei demnach "völlig übertrieben", sagte der Strafverteidiger. Abschließend richtete er sich mit dem Satz "im Zweifel für den Angeklagten" an die Geschworenen. 

Nach der Rechtsberatung durch den Berufsrichtersenat ziehen sich die Geschworenen zur Beratung zurück. Mit einem Urteil ist erst am (späten) Abend zu rechnen. Die Frage ist, ob die Geschworenen der Angeklagten wegen versuchten Mordes oder "nur" wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung schuldig sprechen. 

mehr aus Innviertel

"In diesem Moment sind mir die Tränen gekommen"

Mauerkirchen: Das Wasser ist weg, die Verzweiflung da

Drogenmonitoring: Reinhalteverband Ried Spitzenreiter bei Amphetaminen

Sandra Gasser: Eine Läuferin mit Steherqualitäten

Autor
Thomas Streif
Redaktion Innviertel
Thomas Streif

Interessieren Sie sich für dieses Thema?

Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

Aktuelle Meldungen