Auf "MostWiki" sind 12.000 Wörter in Mundart abrufbar
KEMATEN AN DER YBBS. Der pensionierte Betriebselektriker Josef Tatzberger aus Kematen/Y. sammelte Bibliothek von Dialektausdrücken. Jetzt ist sie online.
"Sei net so mali", wies der Betriebselektriker Josef Tatzberger einen Kollegen in der Papierfabrik Mondi zurecht, der eine Leiter wackelig aufgestellt hatte. Der Mann, kein Ausländer, sondern ein alteingesessener Einheimischer, verstand nicht. "Du sollst die Leiter nicht so gefährlich aufstellen", übersetzte Tatzberger für derlei fremden Ohren ins Hochdeutsch. "Damals habe ich den Gedanken gefasst, fortan sämtliche Ausdrücke aus unserem Dialekt aufzuschreiben, dass sie nicht in Vergessenheit geraten können."
Den Grundstock hielt Tatzberger zu Beginn aus seinem eigenen Wortschatz fest: "Ich komme aus der Landwirtschaft, wo noch viele Dialektausdrücke im täglichen Leben verwendet werden." Später gewöhnte er sich an, einen Notizzettel und Kugelschreiber in die Rocktasche zu stecken. Wann immer er einen Ausdruck hörte, der nicht geläufig war, schrieb er das Vokabel in Lautschrift auf und ließ sich die Erklärung geben. Im Laufe der Jahre häufte sich eine Sammlung an, die Tatzberger als "Mostviertler Lexikon" als Standardwerk herausbrachte. "Mir war es wichtig, diese Schätze an Ausdrücken einfach an die Nachwelt weiterzugeben, wie sie mir überliefert wurden." Das Buch ist längst vergriffen. Jetzt aber ist es für jeden Sprach- und Volkskulturfreund im Internet abrufbar. Das Lexikon ist ein Bestandteil des Wissensportal "MostWiki", das der Tourismusverband Moststraße in einem von der EU geförderten LEADER-Projekt umgesetzt hat. "In dem seit 2015 laufenden und jetzt abgeschlossenen Projekt wurden Wissensgebiete mit Begriffen aus der Region hochgeladen", sagt Moststraßen-Obfrau, Landtagsabgeordnete Michaela Hinterholzer (VP). Für die elektronische Wissensbewahrung und -vermittlung wendete die öffentliche Hand im Projektrahmen 126.000 Euro auf.
Für die Nutzer findet sich ein Stück Heimat, das auch sehr unterhaltsam ist. "Der Zungenbrecher ,Laan olaan‘ heißt etwa auf Hochdeutsch ,Latten abladen‘", schmunzelt Tatzberger. Mit Oberösterreich haben die Mostviertler sprachlich viel gemeinsam. "Wer mit nichts zufrieden ist, tut bei uns ,treama‘", sagt Tatzberger, "aber genauso sagt man wie im Nachbarbundesland ,sudern‘". Manche Dialektwörter sind aus Wien eingewandert. "Der Juchee", klärt Tatzberger auf, "meint eigentlich einen erhöhten Rang im Theater und bei uns einen Jägerhochstand."