Sonderpädagogik: Verfahren soll einheitlich und schneller werden
WIEN. Zwischen den Bundesländern gibt es große Unterschiede beim Umgang mit behinderten Schülerinnen und Schülern.
Wie zuletzt eine Studie im Auftrag des Bildungsressorts gezeigt hat, hat der Wohnort großen Einfluss darauf, ob bei einer körperlichen oder psychischen Behinderung Sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF) attestiert wird. Nun soll der Prozess vereinheitlicht, schlanker und schneller gemacht werden, heißt es in der Beantwortung parlamentarischer Anfragen von SPÖ und Neos.
Vorliegen soll die Neufassung des Rundschreibens "Richtlinien zur Organisation und Umsetzung der sonderpädagogischen Förderung" laut der Anfragebeantwortung durch Ressortchef Martin Polaschek (ÖVP) im Laufe des Jahres 2024. Die Ergebnisse der SPF-Studie sollen auch in den Nationalen Aktionsplan Behinderung 2022-2030 einfließen, dafür wurde eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern des Ministeriums, der Bildungsdirektionen und Inklusionsforscherinnen und -forschern eingerichtet.
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Neue Lehrpläne
Aktuell wird laut Anfragebeantwortung außerdem an neuen kompetenzorientierten Lehrplänen für den sonderpädagogischen Bereich gearbeitet, die ein gemeinsames Lernen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung unterstützen sollen. Dafür sollen auch die Stundentafeln angepasst werden. Derzeit werden auch Lehrpläne für das Unterrichtsfach Österreichische Gebärdensprache entwickelt.
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Den Neos sind die angekündigten Schritte des Ministeriums allerdings zu wenig, außer der Gründung einer Arbeitsgruppe sei seit Vorliegen der Studienergebnisse nichts passiert. "In Sachen Inklusion gab es in den letzten Jahren keinerlei Fortschritte", kritisierte Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Das sei "beschämend" für Ressortchef Polaschek und "bezeichnend für diese Stillstandsregierung".
Indem die Ergebnisse der Studie zur SPF-Vergabe erst mit Verspätung veröffentlicht wurden, sei noch dazu die Chance verpasst worden, die im Finanzausgleich fixierte Deckelung bei den Fördermaßnahmen anzuheben. Derzeit gibt es nur für 2,7 Prozent der Schüler bis zur 9. Schulstufe zusätzliche Lehrerplanstellen. Rechnet man hierbei die AHS-Unterstufen und die 9. Schulstufe in den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) heraus, in denen üblicherweise keine SPF-Schüler beschult werden, kommt man laut Anfragebeantwortung auf einen Wert von 3,65 Prozent aller Schüler in den Pflichtschulen (v.a. Volks-, Mittel- und Sonderschulen). In der Praxis haben laut der jüngsten Studie aber 4,5 Prozent der Pflichtschülerinnen und -schüler einen SPF.
Vorgesehen ist der Status SPF dann, wenn Kinder und Jugendliche wegen einer längerfristigen körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung dem Unterricht nicht ohne sonderpädagogische Förderung folgen können. Sie können dann durch spezielles Lehrmaterial oder entsprechende Lehrer gefördert oder in einem oder mehreren Fächern nach dem Lehrplan einer niedrigeren Schulstufe oder anderen Schulart unterrichtet werden.
Zwei große Schwachstellen hat die Regelung des SPF:
Es gibt keine standardisierte Überprüfung, welches Kind Bedarf hat und es gibt keine Regelung, welchen Bedarf das Kind hat.
Die Lernschwächen sind höchst unterschiedlicher Art. Wenn eine zweite Lehrerin in der Klasse herumsteht, hilft das den meisten Kindern mit Einschränkungen überhaupt nichts. Es bleibt aber ganz allein dem Wohlwollen der Lehrerinnen überlassen, wie sie damit umgehen.
Beispiel: Für Kinder, die einfach nur lernschwach sind und zu Hause ihnen niemand helfen kann, wäre es hilfreicher, wenn sie eine Betreuung beim Hausaufgaben machen bekämen.
Für Kinder mit psychischen Problemen wäre eine Psychotherapie vermutlich hilfreicher als eine zweite Lehrerin in der Klasse, die nie gelernt hat, wie man mit psychischen belasteten Kindern umgeht.