Abschuss von Passagierflugzeug MH-17: Vier Tatverdächtige und ein Kronzeuge
Fünf Jahre nach dem Abschuss der malaysischen Boeing über dem Donbas gibt es eine Liste tatverdächtiger Rebellenoffiziere. Ihre russischen Hintermänner bleiben aber unbehelligt.
Wladimir Zemach ist ein Mann einfacher Worte: "Er hat die ,Suschka‘ kaputtgemacht, aber eine zweite ,Suschka‘ hat die Boeing abgeschossen", erzählte Zemach 2015 einem russischen Video-Amateur. Mit "Suschka" meinte Zemach, damals Kommandeur der Rebellenluftabwehr in Snischnje, einen ukrainischen Suchoi-Kampfjet, mit Boeing das malaysische Passagierflugzeug (MH-17), das gestern vor fünf Jahren über Snischnje abgeschossen wurde, alle 298 Insassen kamen um. Mit "er" aber ist das Buk-Raketensystem gemeint, das laut der internationalen Ermittlergruppe JIT die tödliche Rakete abfeuerte und aus Russland kam. Und das nach russischen Beteuerungen nie dort gewesen ist.
Die Aussagen des Sportlehrers Zemach könnten trotz seiner Fehleinschätzung von 2015 für die JIT-Fahnder interessant werden. Denn der frühere Berufsoffizier wurde Anfang Juli von ukrainischen Geheimdienstlern aus seiner Wohnung in Snischje entführt, sitzt jetzt in Kiew in U-Haft. Als Frontkämpfer und Flakchef von Snischnje hatte er auch nach 2015 Kontakte und Einsichten, die die Tragödie vom 17. Juli 2014 weiter aufklären könnten.
Russland leugnet vehement
Schon jetzt gibt es massenhaft Fotos, Videos, abgehörte Telefonate von Rebellenoffizieren und russischen Entscheidungsträgern, die nach Einschätzung der JIT beweisen, dass ein Buk-System der 53. russischen Flugabwehr-Brigade die Boeing vernichtete. Aber Russland leugnet vehement, machte erst ukrainische Kampfflieger, dann eine ukrainische Buk-Rakete für den Abschuss verantwortlich. "Es gibt keinerlei Beweise", dementierte Kremlchef Wladimir Putin selbst noch vor wenigen Wochen. "Die Schuldigen wurden benannt", versicherte er.
Trotzdem wollen die Niederlande ein Gerichtsverfahren eröffnen, die erste Sitzung soll im kommenden März stattfinden. Bisher hat die Staatsanwaltschaft vier Tatverdächtige genannt, drei Russen und einen Ukrainer, die 2014 alle als Rebellenkommandeure im Donbas kämpften. Der berühmteste ist Igor Strelkow alias Girkin, ein russischer Ex-Geheimdienstler, der damals als "Verteidigungsminister" das Oberkommando über die Rebellen hatte. Die ukrainische Staatsanwaltschaft veröffentlichte den Mittschnitt mehrerer Telefonate Strelkows von Anfang Juni 2014, unter anderem mit dem Chef der Krim Sergei Aksjonow. Darin forderte er angesichts des Vormarschs der ukrainischen Streitkräfte unter anderem "normale Luftabwehrwaffen".
Außer ihm wird der russische Militärgeheimdienstler Sergei Dubinski genannt, der den Sicherheitsdienst der Rebellen kommandierte und laut JIT den Transport der BUK nach Snischnje koordinierte. Zwei weitere Tatverdächtige, Dubinskis russischer Stellvertreter Oleg Pulatow und dessen ukrainischer Untergebener Leonid Chartschenko, sollen den Transport des BUK-Systems begleitet haben. Aber keiner der vier dürfte den Einsatz des BUK-Systems auf dem ostukrainischen Schlachtfeld befohlen haben.
Befehl von höherer Instanz
"Wer das russische Befehlssystem kennt, der weiß, dass diesen Befehl eine höhere Instanz erteilt hat als das Kommando einer Flakbrigade oder auch der russischen Luftstreitkräfte", sagte der Kiewer Militärexperte Oleksi Melnyk den OÖN. Im Beweismaterial der JIT befindet sich das Telefonat eines anderen Rebellenchefs mit dem russischen Präsidentenberater Wladislaw Surkow, der sagt, "allerhöchste für die Kriegsgeschichte zuständige Genossen" versprächen baldige Kriegshilfe.
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