Spanische Justiz startet mit Abstrafung von Kataloniens "Rebellen"
MADRID. Die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien war ihr Ziel – jetzt müssen sich zwölf Separatisten in Madrid vor dem Obersten Gericht verantworten. Ihnen drohen bis zu 25 Jahre Haft. Antworten auf fünf wichtige Fragen.
1) Was ist der Prozess-Grund?
Katalonien versucht seit mehr als einem Jahrzehnt, seine Rechte als autonome Region auszuweiten. Von der konservativen Regierung unter Premier Mariano Rajoy in Madrid gab es allerdings keinerlei Zugeständnisse. Am 1. Oktober 2017 ließ Regionalpräsident Carles Puigdemont daher ein Unabhängigkeitsreferendum abhalten – obwohl das für verfassungswidrig erklärt worden war. Dabei sprachen sich zwar 90 Prozent für die Abspaltung von Spanien aus, es hatten aber nur 42 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt. Kurz darauf rief die Region ihre Unabhängigkeit von Spanien aus.
Die Zentralregierung in Madrid reagierte scharf. Sie setzte die Regionalregierung ab, stellte die Region unter Zwangsverwaltung und ließ mehrere Personen verhaften.
2) Wer sitzt auf der Anklagebank vor dem Obersten Gericht?
Zwölf Männer und Frauen. Hauptangeklagter ist Ex-Vize-Regierungschef Oriol Junqueras, Chef der Republikanischen Linken (ERD). Ihm drohen 25 Jahre Haft. Auch Ex-Parlamentspräsidentin Carme Forcadell, anderen Ex-Regierungsmitgliedern sowie Jordi Cuixart und Jordi Sánchez, den Chefs der großen zivilgesellschaftlichen Separatisten-Organisationen Òmnium Cultural und Katalanischer Nationalkongress, wird Rebellion vorgeworfen. Dazu kommt der Vorwurf der Untreue wegen Verwendung öffentlicher Gelder zur Abhaltung des Referendums.
3) Wo ist Carles Puigdemont?
Der Ex-Regionalpräsident gilt als politisch Hauptverantwortlicher für Unabhängigkeitsreferendum und -erklärung. Spaniens Justiz führt aber keine Prozesse in Abwesenheit des Angeklagten. Und Puigdemont war außer Landes geflohen. In Deutschland, wo er aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommen worden war, wurde der Vorwurf der Rebellion als Auslieferungsgrund im Vorjahr nicht anerkannt.
4) Ist eine Verurteilung der Separatisten zu erwarten?
Die Anklage ist umstritten, vor allem der Vorwurf der Rebellion. Nach Artikel 472 des Código Penal, des spanischen Strafrechts, machen sich jene der "rebelión" schuldig, die sich "gewaltsam und öffentlich erheben", um "die Unabhängigkeit eines Teils des nationalen Territoriums zu erklären". Den Aspekt der Gewalt bestreiten nicht nur die Separatisten selbst, auch viele juristische Experten sehen ihn als nicht erfüllt an.
5) Was bedeutet der Prozess für Spaniens Politik?
Seit dem Sturz der Regierung Rajoy (PP) Mitte 2018 regiert in Madrid eine Minderheitsregierung unter Führung von Sozialistenchef Pedro Sánchez (PSOE). Sie ist von den Stimmen der katalanischen Separatisten im Parlament abhängig. Diese drohten bereits vor einer Woche mit der Ablehnung des Budgets, sollte die Regierung nicht vor Prozessbeginn ein Zeichen zugunsten der Angeklagten setzen. Gleichzeitig bringt sich auch die Opposition in Stellung. Im Gegensatz zu Rajoy, der eine kompromisslose Linie gegenüber den Unabhängigkeitsbefürwortern in Barcelona fuhr, zeigte sich Sánchez stets gesprächsbereit.