Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Van der Bellen traf ehemalige "Caritas-Kinder"

18. Juni 2019, 21:28 Uhr
Bild 1 von 11
Bildergalerie Alexander Van der Bellen auf Staatsbesuch in Portugal
Bild: APA/ PETER LECHNER (BUNDESHEER)

LISSABON. Es waren emotional bewegende Momente in einem höchst festlichen Rahmen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen traf am Dienstag während seines Staatsbesuchs in Portugal mit ehemaligen österreichischen "Caritas-Kindern" der Nachkriegsjahre und deren damaligen portugiesischen Gastfamilien zusammen.

"Wir erinnern uns an eines der schönsten Kapitel in der Geschichte der Beziehungen zwischen Portugal und Österreich", meinte der Bundespräsident.

Nach einer Filmvorführung über Einzelschicksale und Erinnerungen mancher "Crianças austriacas da Caritas" und dem Besuch einer kleinen Ausstellung zu den "Caritas-Kindern" kam es im Prunksaal des Lissaboner Außenministeriums zu einem Wiedersehen der ehedem kleinen - und heute schon etwas betagten - Schützlinge aus Österreich und ihren Wohltätern (oder deren Nachkommen) aus Portugal.

Das kleine Land im Westen der Iberischen Halbinsel war im Zweiten Weltkrieg neutral und damit von den Wirren der Verwüstungen verschont geblieben. Portugal ging es damals - zumindest von der Versorgungslage her - vergleichsweise gut. Die österreichische Caritas und ihre damals eben erst gegründete Schwesternorganisation in Portugal schickten zwischen 1947 und 1956 insgesamt 5402 Mädchen und Buben zu portugiesischen Pflegefamilien.

Die Aktion wurde auch durch den portugiesischen Diktator António de Oliveira Salazar gefördert. Er hatte ab 1932 (und letztlich bis 1968) einen vom Katholizismus gekennzeichneten hierarchischen Ständestaat etabliert, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 im Zuge der Neuordnung Europas international salonfähig werden wollte.

Die Kinder wurden auf Grundlage von Kriterien wie Unterernährung, Krankheit oder Wohnverhältnisse ausgewählt. Die meisten stammten aus den urbanen Zentren Österreichs, wo die Versorgung mit Nahrungsmitteln oft prekär war.

Mit der Eisenbahn über die Pyrenäen

Sie wurden mit Großtransporten mit der Eisenbahn über die Pyrenäen sowie über den Seeweg - mit dem Zug bis zum italienischen Hafen Genua und dann mit dem Schiff bis Lissabon - nach Portugal gebracht und waren somit meist rund eine Woche unterwegs. In Lissabon erfolgte die Verteilung auf verschiedene portugiesische Diözesen.

Die Unterbringung der "Caritas-Kinder" erfolgte zwar in allen sozialen Schichten, großteils gehörten die Familien jedoch der gehobeneren Mittelschicht an. Die gute Ernährungslage sowie das milde Klima förderten die rasche Erholung der kleinen Gäste aus Österreich, die sich durchschnittlich sechs Monate bis ein Jahr lang in Portugal aufhielten. Probleme gab es laut Zeitzeugen allenfalls bei der Ausbildung, weil ein Schulbesuch in Portugal für die Gastkinder nicht verpflichtend war.

"Es war eine glückliche Zeit", erinnerte sich auch Zeitzeuge Alois Sablatnig mit einem Schmunzeln, "ich musste nicht zur Schule gehen. Aber ich habe in Portugal damals viel gelernt. Zum Beispiel, wie man Sardinen isst." Aber auch seine Gastfamilie habe ihn damals viel fürs Leben gelehrt", erinnerte sich Sablatnig. Daher sei er über die Jahre auch immer wieder zurückgekommen. Er verehre Portugal, fügte der mittlerweile in Kanada lebende Sablatnig auf Portugiesisch dazu. Doch würden ihm in allen Sprachen die Worte fehlen, um dem Land und seinen Leuten die Dankbarkeit auszudrücken.

Erinnerungen

Seitens der ehemaligen Gastfamilien erinnerte der Unternehmer Antóno Amorim an ein ehemaliges "Caritas-Kind": Gerhard Schießer. Dieser wuchs später geschäftsmäßig in das Kork-Imperium der Familie Amorim hinein und ermöglichte es dieser, über ein Joint Venture von Österreich aus den osteuropäischen Markt zu erobern.

In manchen Fällen stand in den 1950ern sogar eine mögliche Adoption im Raum, der aber von den österreichischen Eltern im Normalfall nicht zugestimmt wurde. Dokumente über die Aktion gibt es laut Kathpress unter anderem in den Akten der Caritas im Archiv der Katholischen Privat-Universität Linz.

Viele Pflegekinder hielten auch später persönliche Kontakte nach Portugal. Seit Mitte der 2000er-Jahre wurden auch über die in Österreich bestehenden Vereine ehemaliger "Portugal-Kinder" verlorene Kontakte wieder hergestellt. Die österreichische Botschaft in Lissabon erinnerte in den vergangenen Jahren u.a. mit einer Wanderausstellung an die "Caritas-Kinder" und unterstützte auch wissenschaftliche Forschungsarbeiten zur damaligen Hilfsaktion.

Zwei Buchprojekte ("Das Land der Orangen" von Rosario Alçada Araújo sowie "Rezepte des Lebens" von Rosário Worisch Alvim), ein Filmprojekt der Regisseurin Susana de Sousa Dias sowie eine Dissertation der portugiesischen Historikerin Ana Pinho sind bisherige Ergebnisse dieses Engagements.

Daher konnte der Bundespräsident anlässlich des Wiedersehens mancher "Caritas-Kinder" mit ihren portugiesischen Schwestern und Brüdern den Dank Österreichs für diese "bemerkenswerte und großzügige Geste" ausdrücken, die "für immer in unseren Erinnerungen und Herzen bleiben wird". Weil: "Hier in Portugal lernten diese traumatisierten Kinder wieder Kinder zu sein." Die Geschichte der Caritas-Kinder sei sowohl in Österreich als auch Portugal noch zu wenig bekannt, bedauerte indes Familienministerin Ines Stilling in ihrer Rede.

Der Bundespräsident war am Dienstag in Lissabon mit Präsident Marcelo Rebelo de Sousa zusammengetroffen, am Mittwoch stand die Teilnahme an einem österreichisch-portugiesischen Wirtschaftsforum am Programm. Weiters wird Van der Bellen vom Parlamentspräsidenten Eduardo Ferro Rodrigues und Bürgermeister Fernando Medina empfangen.

mehr aus Weltspiegel

"Werden immer schlimmere Hochwasserkatastrophen ernten"

Online-Verhalten von Jugendlichen wird immer problematischer

In 3500 Metern Höhe: Bergsteiger in Halbschuhen und Trainingshosen vom Matterhorn gerettet

Fünf Tote nach Familienmord auf Sardinien

Interessieren Sie sich für dieses Thema?

Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

2  Kommentare
2  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
maria1907 (18 Kommentare)
am 19.06.2019 20:53

Meine Mutter ist auch ein Caritas-Kind, sie wurde 1949 nach Spanien verschickt und durfte 9 Monate dort bleiben. Sie gerät heute noch ins Schwärmen, wenn sie sich daran erinnert. Den Kontakt zu ihrer Gastfamilie hatte sie leider nach kurzer Zeit verloren, aber wir konnten die Familie nach genau 40 Jahren wieder finden und auch besuchen, und nun schreiben sich meine Mutter und ihre ehemaligen Pflegeschwestern regelmässig. Mama hat dafür die spanische Sprache ein zweites Mal gelernt.
Die Caritas hat später ähnliche Aktionen auch umgekehrt durchgeführt, nordirische Kinder etwa konnten bei österreichischen Gasteltern für einige Wochen den damaligen Bürgerkrieg vergessen. Nach Tschernobyl durften sich ukrainische Kinder in Österreich erholen.
Auch österreichischen Familien hilft die Caritas heute noch bei entsprechender Bedürftigkeit, besonders wenn es um Kinderarmut geht.
Bitte denkt daran, wenn die Caritas die nächste Haussammlung macht, da geht es nicht nur um 'die Ausländer'.

lädt ...
melden
NeujahrsUNgluecksschweinchen (28.763 Kommentare)
am 18.06.2019 23:18

Ein schöner Artikel über völkerverbindende Gastfreundlichkeit - ich wünschte, wir hätten diese ins 21. Jahrhundert herübergerettet.

lädt ...
melden
Aktuelle Meldungen