Medwedew: "Der Westen rückt einem Weltkrieg näher"
KIEW. Die NATO hält am Vormittag in Brüssel eine Dringlichkeitssitzung wegen des Raketeneinschlages im Osten Polens ab. Polen ist Mitglied der Militärallianz. Auf seinem Territorium schlug am Dienstagnachmittag nahe der Grenze zur Ukraine eine Rakete ein, zwei Menschen wurden getötet.
Russland ist nach Darstellung der Ukraine für jeden Raketen-Zwischenfall verantwortlich. Laut US-Präsident Joe Biden ist es aber unwahrscheinlich, dass diese Rakete in Russland abgefeuert wurde.
Biden informierte die NATO-Partner am Rande des G20-Gipfels auf Bali einem Insider zufolge darüber informiert, dass der Zwischenfall an der polnischen Grenze zur Ukraine durch eine fehlgeleitete ukrainische Luftabwehr-Rakete ausgelöst wurde. Die belgische Regierung schloss sich der Vermutung an. Auch Russland bestreitet den Abschuss dieser Rakete. Russland habe mit dem Vorfall nichts zu tun, erklärte der Kreml am Mittwoch.
Der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychailo Podoljak erklärte dagegen in einer schriftlichen Stellungnahme als Reaktion auf Biden, dass Russland für jeden Zwischenfall mit Raketen verantwortlich sei. Es könne nur an einer Logik festgehalten werden, und die laute, dass der Krieg von Russland begonnen worden sei und von Russland geführt werde.
Die NATO berät auf ihrer Dringlichkeitssitzung nach slowakischen Angaben über eine Verstärkung der Luftverteidigung an ihrer Ostflanke. "Es ist natürlich, dass wahrscheinlich ein Antrag auf dem Tisch liegen wird, den Luftraum der Länder an der Grenze zu stärken", sagt der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger.
Video: Nehammer zu Raketeneinschlag in Polen
Polens nationaler Sicherheitsrat BBN tritt um 12.00 Uhr (MEZ) erneut zu Beratungen zusammen. Auch in Estland kommt die Regierung in Tallinn zu einer außerordentlichen Kabinettssitzung zusammen. Ministerpräsidentin Kaja Kallas berief das Treffen für Mittwochnachmittag ein und sprach von einem "äußerst schwerwiegenden" Vorfall.
Nach Angaben der polnischen Regierung war am Dienstag eine "Rakete aus russischer Produktion" im ostpolnischen Dorf Przewodow sechs Kilometer von der Grenze zur eingeschlagen. Nach Feuerwehrangaben wurden dabei zwei Menschen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb getötet.
"Der Westen rückt einem Weltkrieg näher"
Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew erklärte via Twitter, der Vorfall mit dem angeblichen Raketenangriff auf ein polnisches Gehöft beweise nur eines: "Der Westen rückt einem Weltkrieg näher, wenn er einen hybriden Krieg gegen Russland führt." Er gehört zum engsten Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin und ist dessen Stellvertreter an der Spitze des nationalen Sicherheitsrates.
Podoljak betonte, dass Russland die Ukraine massiv mit Marschflugkörpern angreife. "Russland hat den östlichen Teil des europäischen Kontinents in ein unberechenbares Schlachtfeld verwandelt. Absicht, Hinrichtungsmittel, Risiken, Eskalation - all das ist nur Russland. Und anders sind Zwischenfälle mit Raketen nicht zu erklären." Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba forderte eine harte und "prinzipienfeste" Reaktion auf den Raketeneinschlag. Das habe er bei einem Telefonat mit US-Außenminister Antony Blinken deutlich gemacht, teilte Kuleba am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter mit.
Auch der britische Premierminister Rishi Sunak gab Russland die grundsätzliche Schuld. "Das Wichtigste ist, anzuerkennen, warum die Ukraine Raketen einsetzen muss, um ihr Heimatland zu verteidigen", sagte Sunak am Mittwoch am Rande des G20-Gipfels. "Es muss sein Heimatland gegen eine illegale und barbarische Angriffsserie Russlands verteidigen."
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz warnte vor voreiligen Schlüssen. "Jede voreilige Festlegung über den Tatsachenverlauf vor seiner sorgfältigen Untersuchung verbietet sich bei einer so ernsten Angelegenheit", sagte Scholz am Mittwoch nach dem G20-Gipfel. "Wichtig ist, dass wir alle gleichzeitig klar machen und klar gemacht haben, dass all das ja nicht passiert wäre ohne den russischen Krieg gegen die Ukraine, ohne die Raketen, die jetzt intensiv und in großem Ausmaß auf die ukrainische Infrastruktur verschossen werden."
China rief unterdessen zur Zurückhaltung auf. Alle Parteien sollten unter den gegenwärtigen Umständen ruhig bleiben und Zurückhaltung üben, sagt die Sprecherin des Außenministeriums, Mao Ning, in einer turnusmäßigen Pressekonferenz.