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"Opposition ist keine Schande"

Von Sigrid Brandstätter und Julia Popovsky, 02. September 2024, 00:04 Uhr
"Opposition ist keine Schande"
Wahlkampferprobt: 1999 hat Werner Kogler das erste Mal für den Nationalrat kandidiert, jetzt will er ein zweites Mal in die Regierung. Bild: Antonio Bayer

LINZ. Für Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler hat die Koalition trotz des fehlenden Klimaschutzgesetzes vieles auf den Weg gebracht, er macht sich im OÖN-Interview für eine "Allianz der Konstruktiven" stark.

OÖN: Ist Regieren schwieriger, als Sie es sich vorgestellt haben?

Werner Kogler: Wir sind nicht in die Regierung gegangen, um es uns einfach und lustig zu machen, sondern um Verantwortung zu übernehmen. Dass so viele Krisen – von Corona über Energie bis zur Teuerung – gleichzeitig oder kurz hintereinander einschlagen, war nicht absehbar, aber es gibt nichts zu jammern. Verantwortung zu übernehmen bedeutet, dass man Situationen analysiert, abwägt und Entscheidungen trifft. Aber ja, es war nicht immer leicht, und etwas voranzubringen ist das Bohren harter Bretter. Gerade bei unserem Nummer-1-Anliegen Klimaschutz haben wir viel weiterbekommen, deshalb kann ich positiv resümieren.

Das Klimaschutzgesetz, das die Grünen unbedingt wollten, gibt es dennoch nicht.

Dafür gibt es viele andere Klimaschutzgesetze, die zum Sinken des CO2-Ausstoßes führen, dieses Jahr zum zweiten Mal in Folge. Der große strategische Überbau ergibt sich aus dem Nationalen Energie- und Klimaplan, der ist mindestens genauso viel wert wie ein Klimaschutzgesetz. Damit verpflichten wir uns gegenüber Brüssel. Die Ziele, die dort drin stehen, sind einzuhalten. Wir haben auch eine Reihe von Förderprogrammen und Gesetzen wie das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz auf den Weg gebracht. Ein wesentlicher Punkt ist auch die Sicherheitsstrategie, es war schwierig genug, die ÖVP zu überzeugen, bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen.

Aber das ist doch eine Scheinlösung, weil dann statt herkömmlichem Erdgas LNG (Anm.: flüssiges Erdgas) importiert wird, das am Ende des Tages auch aus russischer Provenienz stammt.

Ich streite das gar nicht ab. Aber was LNG angeht, braucht es europäische Lösungen. Was Russland selbst angeht: Wir werden die direkten Lieferungen auf null stellen und stattdessen zum großen Teil aus Norwegen importieren. Der Putin-Bezug ist vor allem ein sicherheits- und außenpolitischer – damit man seine Kriegstreiberei nicht finanziert.

Wenn Sie den Wahlkampf von 1999 und 2024 vergleichen – was war Ihnen lieber?

1999 habe ich das erste Mal für den Nationalrat kandidiert, Social Media hat es damals noch nicht gegeben. Da wussten wir noch nicht, dass mit dem ganzen Herumgewische am Smartphone einmal Millionen Menschen beeinflusst werden können. Social Media hat viele Vorteile und Nachteile. Sofern faktisch korrekte Inhalte abgerufen werden und die Algorithmen einen nicht benachteiligen, kommen wir viel direkter an die Menschen heran. Wichtig ist aber auch der direkte Kontakt. Wir machen sehr viele Veranstaltungen, seit es – nach der Pandemie – wieder möglich ist.

Wenn Sie "Schwarz-Rot-Grün" hören – sagen Sie Ja oder Nein?

Das halte ich für eine gangbare Option. Wir müssen jedenfalls alles dafür tun, dass die Rechtsextremen nicht wieder die Regierungsbank belagern, bei denen ja die Klimawandel-Leugner mit den Putin-Freunden fusionieren. Letztlich ist es eine Frage der Mehrheiten, und der Bundespräsident spielt auch eine wichtige Rolle. Zuerst müssen wir Grünen eine entsprechende Stärke erreichen, um mitmischen zu können. Österreich braucht keine Niedermacher und Niederreißer, sondern Aufbauer und eine Allianz der Konstruktiven.

Sollte eine Regierungsbeteiligung an der Person von Leonore Gewessler scheitern: Würden Sie sie bitten zu gehen?

Nein, das würden wir nicht machen, wir verstehen uns als Team. Und solche Ansagen schauen nach der Wahl sowieso ganz anders aus. Am Abend, bevor Sebastian Kurz zurückgetreten ist, haben die gleichen Leute, die das jetzt über Leonore Gewessler sagen, unterschrieben, dass sie auch gehen, wenn Kurz die Regierung verlässt. Am nächsten Tag war Kurz weg und die anderen waren noch da. Wir Grüne übrigens auch. Also, was soll ich von solchen Aussagen halten?

Andersrum betrachtet: Wenn die Grünen in der Opposition landen, muss Sigrid Maurer dann Platz für Sie an der Klubspitze machen?

Unser Ziel ist jetzt einmal, dass wir gestärkt in die Regierungsverhandlungen gehen. Wie wir uns dann organisieren, ergibt sich aus dem Wahlergebnis und den Sondierungsgesprächen. Innerhalb der Fraktion gibt es vielfältige Aufgaben. Und parlamentarische Opposition ist keine Schande.

Sie waren bei der Besetzung der Hainburger Au dabei und sehen gleichzeitig die Aktionen der Letzten Generation sehr kritisch. Passt das zusammen?

Ja, das passt zusammen. In der Hainburger Au war ich direkt vor Ort, um ein Umweltverbrechen zu verhindern, also genau dort, in einem europaweit einzigartigen Auwald, wo sich das Ganze abgespielt hat. Die Bedrohung der Klimakrise ist eine, die nicht richtig greifbar ist, CO2 stinkt nicht einmal. Deshalb muss ich hier ja fast entschuldigend für die Aktivisten eintreten, sie haben nicht wie ich den Baum, an den sie sich anketten können, um ihn zu retten. Es ist aber so, dass wir in einer Demokratie Mehrheiten finden müssen, statt Mehrheiten zu nerven. Man kann den Leuten, die zur Arbeit fahren, nicht dauernd auf den Arsch gehen. Das Beschütten von Bildern hat eine irrsinnig aggressive Bildsprache, aber irgendwann muss man kapieren, dass von Van Gogh keine Gefahr für das Weltklima ausgeht. Mein Tipp war immer: Geht vor das Kanzleramt, geht vor das Umweltministerium, geht zu den Ölfirmen. Da seid ihr näher dran und behindert nicht die Allgemeinheit.

Die Grünen wollen das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent erhöhen. Ist das der Zugang der Grünen, wie sich Arbeit lohnen soll?

Diese Überlegung gibt es in Österreich schon ganz lang. Die Beschränkung für den Bezug des Arbeitslosengeldes bleibt völlig aufrecht. Arbeitslosengeld ist kein Almosen, das ist eine Versicherungsleistung und zeitlich beschränkt.

Die Regierung hat gerade noch ein degressives Arbeitslosengeld verhandelt. Davon lesen wir bei den Grünen nichts.

Weil das nicht unser Hauptanliegen ist. Degression bedeutet ja, dass die Zuwendungen mit jedem Monat weniger werden, und genau dafür bräuchten wir einen höheren Einstieg.

Sind Sie jetzt eigentlich für die Messenger-Überwachung oder nicht? Warum lassen die Grünen den Entwurf monatelang liegen und schicken ihn dann kurz vor der Wahl doch in Begutachtung? Ist das nicht purer Populismus?

Im Gegenteil. Der Grund der Verzögerung war, dass bestimmte Teile im Paket des Innenministers gefehlt haben. Aber sei’s drum, es ist jetzt unvollständig ausgeschickt, damit sich alle ein Bild machen können. Das war unser Anliegen. In der Sache sind wir natürlich dafür, dass das Maximale bei der Terrorbekämpfung rausgeholt wird. Aber wir müssen bei dieser Überwachung auch sicherstellen, dass sie der Verfassungsgerichtshof nicht wieder kippt, wie es mit dem schwarz-blauen Gesetz passiert ist. Die Frage ist, ob ausgeschlossen werden kann, dass das Leben der Menschen bis unter die Bettdecke ausspioniert wird.

Im grünen Wahlprogramm wird die Bedeutung des Spracherwerbs als zentrale Säule der Integration gesehen. Dann heißt es: In der Vergangenheit wurde das von den Ländern unzureichend angeboten. Echt jetzt: Die Bundesländer sind schuld an der gescheiterten Integration?

Wir sagen, dass es ganz wichtig ist, Deutsch zu lernen. Und der Punkt ist natürlich, dass die Arbeitsaufteilung entlang der Bundesverfassung so aussieht, dass die Länder für bestimmte Bereiche zuständig sind, und einiges funktioniert dann auch nicht. Wir haben diese seltsamen Mischkompetenzen öfter, etwa in der Kinderbetreuung. Ich habe nichts gegen Föderalismus, aber er muss effizienter sein.

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