Polen versetzt Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft
WARSCHAU. Medien berichten von russischen Raketeneinschlägen in Polen. Zwei Menschen sind ums Leben gekommen.
Die polnische Feuerwehr bestätigte am Dienstag zunächst nur zwei Tote bei einer Explosion in Przewodow nahe der ukrainischen Grenze. "Es ist unklar, was geschehen ist", sagte der diensthabende Beamte. Der polnische Hörfunk-Sender ZET berichtete von zwei verirrten russischen Raketen. Russland wies die Berichte zurück.
Die Nachrichtenagentur AP meldete unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise ebenfalls, bei dem Einschlag russischer Geschoße seien zwei Menschen getötet worden. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von Raketen aus Russland. Die USA erklärten, man könne das nicht bestätigen.
Polen versetzte einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft. Dies gelte auch für andere uniformierte Dienste, sagte ein Regierungssprecher am Dienstagabend in Warschau. Es gehe dabei um bestimmte militärische Kampfeinheiten sowie die Kampfbereitschaft von Einheiten der uniformierten Dienste, sagte er, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.
Außerdem habe man gemeinsam mit den NATO-Verbündeten beschlossen, zu überprüfen, ob es Gründe gebe, die Verfahren nach Artikel 4 des NATO-Vertrags einzuleiten, sagte er. Artikel 4 sieht Beratungen der NATO-Staaten vor, wenn einer von ihnen die Unversehrtheit seines Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sieht.
Zuvor hatte die Regierung in Warschau nach unbestätigten Berichten über einen angeblichen Raketeneinschlag im Grenzgebiet zur Ukraine eine Sitzung des nationalen Sicherheitsrates einberufen. Zudem wurde am Dienstagabend kurzfristig eine außerplanmäßige Kabinettssitzung angesetzt.
Russland dementiert Angriff
Das russische Militär wies Berichte über den Absturz angeblich russischer Raketen auf ein polnisches Dorf nahe der Grenze zur Ukraine als "gezielte Provokation" zurück. Es seien keine Ziele im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet beschossen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Dienstagabend mit. Auch die in polnischen Medien verbreiteten Fotos angeblicher Trümmerteile hätten nichts mit russischen Waffensystemen zu tun, hieß es.
Michel: "EU steht auf der Seite Polens"
Die Europäische Union steht nach den Worten von EU-Ratspräsident Charles Michel an der Seite Polens. Er stehe zudem mit den polnischen Behörden, Mitgliedern des Rates und anderen Verbündeten in Kontakt, schrieb Michel auf Twitter.
NATO-Partner reagierten großteils zurückhaltend
Litauen, Lettland, Estland, Norwegen, Belgien und Tschechien erklärten in ersten Reaktionen, sie bemühten sich um weitere Informationen. "Russlands Leichtsinnigkeit gerät außer Kontrolle", schrieb der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad auf Twitter.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zeigte sich betroffen. "Wir beobachten die Situation genau und stehen in Kontakt mit unseren polnischen Freunden und NATO-Verbündeten", schrieb sie am Dienstagabend auf Twitter. Die NATO hatte zuvor bekannt gegeben, dass sie Berichte über die tödliche Explosion prüfen werde.
Auch das Pentagon erklärte, Berichte über den Raketeneinschlag prüfen zu wollen. Die Presseberichte seien dem Pentagon bekannt, sagte ein Sprecher in Washington. Zum jetzigen Zeitpunkt habe das Ministerium aber keine Informationen, die diese Berichte bestätigen könnten. "Wenn wir ein Update zur Verfügung stellen können, werden wir dies tun."
Selenskyj erklärte, es habe sich um russische Raketen gehandelt. Damit eskaliere die Lage, und es müsse eine Reaktion geben. Die Ukraine habe seit langem davor gewarnt, dass sich die russischen Aktionen nicht auf die Ukraine beschränken würden.
Der private polnische Radiosender Zet hatte berichtet, zwei verirrte Raketen seien in Przewodow nahe der Grenze eingeschlagen. Die russische Armee hatte am Dienstag nach Kiewer Angaben die Ukraine mit über 90 Raketen und Marschflugkörpern beschossen. Auch die westukrainische Stadt Lwiw war nach Behördenangaben am Dienstag Ziel russischer Angriffe gewesen. Bürgermeister Andrij Sadowij sprach von Schäden am Energiesystem.