Russland und die Ukraine gehen aufeinander zu
KIEW/MOSKAU. Der Gefangenenaustausch am Wochenende weckt Hoffnungen auf eine Entspannung.
Die Ukraine und Russland haben mit dem beispiellosen Gefangenenaustausch am Samstag Hoffnungen auf eine Entschärfung des blutigen Konflikts in der Ostukraine geweckt. "Wir haben den ersten Schritt getan", sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, als er die 35 ukrainischen Freigelassenen auf dem Rollfeld des Flughafens Borispol in Kiew begrüßte.
Nun müssten auch "alle anderen Schritte bis zum Ende dieses schrecklichen Krieges" folgen. Selenski betonte zugleich, er habe den Austausch mit Russlands Staatschef Wladimir Putin verabredet. Er hoffe nun auf ein Treffen im so genannten "Normandie-Format", bei dem Vertreter Russlands und der Ukraine unter der Vermittlung von Frankreich und Deutschland Wege zum Frieden ausloten.
Das russische Außenamt teilte mit, dem Austausch sollten weitere Schritte zur Verbesserung der Beziehungen beider Länder folgen. Aus dem Kreml verlautete, der Austausch habe eine "große Bedeutung für eine Normalisierung und Gesundung der Beziehungen".
Freudentränen in Kiew
Fast zeitgleich waren am Samstagvormittag in Moskau und Kiew Flugzeuge gestartet. Ausgetauscht werden sollten auf jeder Seite 35 Gefangene. Es spielten sich ergreifende Szenen mit innigen Umarmungen und Freudentränen ab, als etwa die im November 2018 festgenommenen 24 ukrainischen Seeleute und der in Russland seit fünf Jahren inhaftierte Regisseur Oleg Senzow in der Ukraine landeten. Senzow ist zugleich der prominenteste ukrainische Gefangene, der von Russland freigelassen wurde.
Senzow war 2014 festgenommen worden und verbüßte in einer Strafkolonie im russischen Teil der Arktis eine 20-jährige Haftstrafe wegen "terroristischer Angriffe" auf der 2014 von Russland völkerrechtswidrig annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
Niederlande sind verärgert
Die niederländische Regierung versuchte laut Außenminister Stef Blok vergeblich zu verhindern, dass auch der russische Luftabwehrspezialist Wladimir Zemach in den Gefangenenaustausch einbezogen wurde. Zemach ist nach den Erkenntnissen der niederländischen Ermittler einer der zentralen Zeugen für den Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 über der Ostukraine, bei dem im Juli 2014 alle 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder getötet wurden.
Nach ukrainischen Angaben gab es keine Alternative zu seiner Freilassung: Wäre Zemach von der Liste gestrichen worden, hätte Russland die Verhandlungen "automatisch" abgebrochen, sagte der Chef des ukrainischen Geheimdienstes SBU, Iwan Bakanow.