Sieg für Netanyahu? Israel wählt heute zum vierten Mal in nur zwei Jahren
JERUSALEM. Die Wahl ist in erster Linie ein Referendum über den umstrittenen Ministerpräsidenten
Es ist ein schier endloser Marathon: Israel wählt heute bereits zum vierten Mal in nur zwei Jahren ein neues Parlament. Und wieder ist der Urnengang ein Referendum über den umstrittenen Premierminister Benjamin Netanyahu. Einerseits hat der rechtskonservative Politiker, der das Land bereits seit 2009 regiert, Israel zum "Impfweltmeister" gemacht. Das rechnen ihm auch viele Landsleute hoch an.
Andererseits steht der 71-Jährige wegen drei verschiedener Korruptionsfälle vor Gericht. Und viele Israelis sind der Ansicht, dass die Vorwürfe so schwerwiegend seien, dass es für den Premier angemessener wäre, zurückzutreten. Daran denkt Benjamin "Bibi" Natanyahu freilich nicht.
Die von ihm geführte Likud-Partei kann laut Umfragen mit Platz eins rechnen – allerdings mit Verlusten. Netanyahus Likud werden 29 bis 32 Sitze in der Knesset prognostiziert, beim letzten Mal waren es noch 36 Mandate. Für eine Mehrheit im Parlament sind 61 Sitze erforderlich.
Gegenwind aus rechtem Lager
Auffällig ist, dass Netanyahu bei der heutigen Wahl vor allem Konkurrenz aus dem rechten Lager zu spüren bekommen wird. Die Umfragewerte der konservativen Partei "Neue Hoffnung" von Netanyahus früherem parteiinternen Rivalen Gideon Saar, der ultrarechten "Yamina" von Ex-Verteidigungsminister Naftali Bennett sowie der nationalistischen "Israel Beiteinu" von Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman zusammengerechnet, ergeben mehr als jene für Netanyahus Likud.
Während Gideon Saar und Avigdor Lieberman eine Koalition mit Netanyahu ausgeschlossen haben, scheint Bennett einer Zusammenarbeit nicht abgeneigt. Als mögliche Partner für den Likud gelten zudem religiöse Parteien.
In den Umfragen hinter Likud kommt aktuell die liberale Zentrumspartei "Yesh Atid" (Es gibt eine Zukunft) mit 18 bis 20 Sitzen auf Platz zwei. Die Partei des früheren TV-Journalisten Jair Lapid hatte sich aus der Wahlkoalition Blau-Weiß verabschiedet, nachdem Spitzenkandidat Benny Gantz entgegen früheren Ankündigungen nach der Wahl vom März 2020 doch mit Netanyahu kooperierte. Die Regierungsbildung zwischen dem Likud und Blau-Weiß hatte Lapid damals als "schlimmsten Betrug in der Geschichte dieses Landes" bezeichnet.
Fünfte Wahl im September?
Ob das "Nein zu Bibi"-Lager Erfolg haben wird, hängt vor allem davon ab, wie viele Parteien die Hürde von 3,25 Prozent überspringen. Bangen müssen jedenfalls der bisherige Koalitionspartner Blau-Weiß sowie die sozialdemokratische Arbeiterpartei, die seit Ende Jänner mit Merav Michaeli eine neue Vorsitzende hat. Die frühere Journalistin, die dem linken Flügel der traditionsreichen Partei von Itzhak Rabin und Shimon Peres angehört, ist die einzige Spitzenkandidatin bei dieser Wahl.
Da mit einer weiteren Zersplitterung der Parteienlandschaft gerechnet wird, droht erneut eine zähe Regierungsbildung. Und nicht wenige Israelis befürchten, dass im September bereits die fünfte Wahl droht.
Wie lange wird es dauern und die Israelis haben ihre monatliche Parlamentswahl?