"Ursula-Koalition"? Expertenkabinett? Italien sucht Ausweg aus Polit-Patt
ROM. Staatspräsident Sergio Mattarella will die Regierungskrise in Rom zügig lösen.
Der Quirinalspalast in Rom, der Amtssitz von Staatspräsident Sergio Mattarella, ist in diesen Tagen der Dreh- und Angelpunkt der italienischen Politik. Gestern hat das 78 Jahre alte Staatsoberhaupt mit den Beratungen und Konsultationen für eine rasche Lösung der Regierungskrise begonnen. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten:
1. Wie geht es denn in Italien nun weiter?
Staatspräsident Sergio Mattarella, bei dem nach dem Rücktritt von Premier Giuseppe Conte die Fäden zusammenlaufen, hat gestern den Beratungsreigen eröffnet. Er will bis Anfang kommender Woche ausloten, ob es im Parlament eine stabile Mehrheit für eine neue Regierung gibt, die bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode bis zum Jahr 2023 halten könnte.
2. Wie könnte dieses neue Kabinett ausschauen?
Da gibt es zwei Varianten: Erstens könnten sich die "Fünf-Sterne-Bewegung" (M5S) und die Sozialdemokraten (PD) von Parteichef Nicola Zingaretti zusammentun. Allerdings sind diese beiden Parteien seit Jahren erbitterte Gegner, ein Bündnis hat daher in beiden Lagern Kritiker. Dazu kommt, dass ein derartiges Bündnis – im Sinne größerer Stabilität – auf die Unterstützung kleinerer Parteien und unabhängiger Senatoren angewiesen wäre. Angesichts schlechter Umfragewerte ist jedoch beiden Parteien daran gelegen, einen baldigen Urnengang zu vermeiden.
Zweite Möglichkeit wäre ein pro-europäisches, stabiles Dreierbündnis aus Fünf-Sterne-Bewegung, Sozialdemokraten und der konservativen "Forza Italia" (FI) von Ex-Premier Silvio Berlusconi. Diese Variante wird in Italien als "Ursula-Koalition" bezeichnet, da diese drei Parteien bei der Wahl der EU-Kommissionspräsidentin im Europaparlament für Ursula von der Leyen gestimmt hatten.
Allerdings hätten alle drei Parteien bei einer raschen Neuwahl erhebliche Stimmenverluste zu befürchten. Matteo Salvini, Chef der rechten "Lega", bezeichnet diese Variante daher spöttisch als "Koalition der Verlierer".
3. Wer könnte eine derartige Regierung anführen?
Ein Name, der immer wieder genannt wird, ist der bisherige parteilose Premier Giuseppe Conte. Er hat mit seinem starken Abgang viele Sympathiepunkte gesammelt. Gegen ihn spricht jedoch, dass er für die alte Regierung aus Fünf Sternen und Lega steht. Immer wieder genannt wird zudem Roberto Fico, der Präsident der Abgeordnetenkammer. Der 44-Jährige zählt zum linken Flügel in der Fünf-Sterne-Bewegung – und wäre somit ein Signal an die zögerlichen Sozialdemokraten.
4. Ist eine Expertenregierung, die für Italien ja nicht neu wäre, auch eine mögliche Option?
Ja, wenn Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten auf keinen grünen Zweig kommen. Staatsoberhaupt Mattarella könnte dann eine Expertenregierung mit der Aufgabe einsetzen, das Budgetgesetz für 2020 zu verabschieden. Das Expertenkabinett könnte im Parlament auch die von den Regierungsparteien vorangetriebene Reform zur Verkleinerung des Parlaments durchsetzen. Neuwahlen würden in diesem Fall erst im Frühjahr 2020 stattfinden.
5. Sind baldige Neuwahlen damit vom Tisch?
Nein, denn niemand weiß, ob Fünf Sterne und Sozialdemokraten zusammenfinden. Und unklar ist auch, ob es im Parlament eine Mehrheit für ein Expertenkabinett geben könnte.
6. Wann wäre der frühest- mögliche Zeitpunkt für einen Urnengang im Herbst?
Bleiben die Konsultationen Mattarellas erfolglos, wird das Staatsoberhaupt beide Parlamentskammern auflösen. 60 Tage später könnte dann die Neuwahl stattfinden, denn so lange dauert es, sie zu organisieren. Also könnte es frühestens Ende Oktober, Anfang November so weit sein.
7. Wer würde von einer baldigen Neuwahl profitieren?
Stand jetzt würde Lega-Chef Salvini der große Sieger sein. Seiner Partei werden aktuell 31 Prozent der Stimmen prognostiziert.
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