Nationalrat-Sondersitzung: Wahlkampf ohne Termin
WIEN. Der gemeinsame Misstrauensantrag, mit dem SPÖ, FPÖ und Neos Sebastian Kurz (VP) aus dem Kanzleramt kippen wollten, ist heute zwar obsolet. Heftige Kontroversen zwischen der Opposition und der nun nach der Kanzlerrochade hin zu Alexander Schallenberg wieder geeinten türkis-grünen Koalition sind bei der heutigen Sondersitzung im Nationalrat aber garantiert. Vor allem dass Kurz als VP-Klubobmann und Parteichef weiter in Spitzenfunktionen bleibt, erhitzt die Gemüter.
SP-Klubvize Jörg Leichtfried hat deshalb einen Misstrauensantrag gegen Gernot Blümel (VP) angekündigt, auch wenn dieser mangels Unterstützung durch die Grünen ohne Mehrheit bleiben wird. Der Finanzminister sei nun "der oberste Vertreter des Systems Kurz" und von dessen engsten Vertrauten. Und "sein Ministerium war Schauplatz der mutmaßlichen Korruption", sagte Leichtfried.
Misstrauen gegen alle
Ebenfalls auf Blümel, aber mit ihm auf die gesamte Bundesregierung hat es FP-Chef Herbert Kickl mit einem allumfassenden Misstrauensantrag abgesehen. Jeder VP-Minister sei Teil des türkisen Systems. Außerdem hätten die türkisen Regierungsmitglieder eine Erklärung unterschrieben, wonach sie bei einem Rückzug von Kurz auch selbst gehen würden. Die grünen Minister hält Kickl für untragbar, weil sie das System durch Duldung weiterführten.
Eine Überschneidung zwischen FPÖ und Neos wird es mit Initiativen gegen Inseratenkorruption geben. Die pinke Parteichefin Beate Meinl-Reisinger kündigte dazu die Vorlage eines Medientransparenzpakets an: "Mit ganz klaren Kriterien für Inserate" und einer neuen Medienkompetenzstelle.
Eigene Misstrauensanträge will Meinl-Reisinger nicht einbringen, aber im Sinne der Kontinuität jenen der SPÖ gegen Blümel unterstützen. Obwohl die Neos-Chefin über der türkis-grünen Regierung ein Damoklesschwert schweben sieht, ist sie weiterhin gegen vorgezogene Neuwahlen.
Das ist an sich auch die Position im SP-Nationalratsklub und von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Eine abweichende Meinung vertrat am Montag einmal mehr der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SP): Er sprach von einem "unsäglichen Schauspiel" um Kurz mit Schallenberg als "Marionette". Den Grünen warf Doskozil vor, "nur wahltaktisch überlegt" und an die eigenen Ämter gedacht zu haben. Auch weil in den nächsten Monaten noch mehr Enthüllungen zu erwarten seien, werde die Koalition nicht halten. Deshalb seien mittelfristig Neuwahlen unvermeidlich. Die "staatsmännische Größe", das zu sagen, hätte auch der SPÖ gutgetan, kritisierte er.
Budgetredner Blümel
Blümel steht heute zwar neben Kurz wegen der Misstrauensanträge im Zentrum des Geschehens. Geplantermaßen ist der Finanzminister aber morgen bei seiner bisher zweiten Budgetrede dank der entschärften Regierungskrise der Hauptakteur.
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