Nationalrat beschließt „brauchbare“ Handysicherstellung neu
WIEN. Strafrechtler Kert lobt späten Kompromiss, Kritik kommt aus Brüssel.
Mit Unterstützung von SPÖ und Neos wurde gestern das schwarz-grüne Langzeitprojekt der vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) vorgegebenen Reparatur bei der Handy-Sicherstellung beschlossen. Zentraler Punkt: Ab 1. Jänner muss die Staatsanwaltschaft eine Beschlagnahmung von Datenträgern (auf Handys, Laptops, PCs etc.) bei Gericht beantragen. Für eine richterliche Bewilligung müssen Kategorie und Inhalt der Daten samt betreffendem Zeitraum definiert werden.
Robert Kert, Strafrechtsprofessor an der WU-Wien, spricht von einem „brauchbaren Kompromiss“, wenn auch verbunden mit einer „komplizierten Regelung“, die sich in der Praxis erst bewähren müsse. Bisher seien Handysicherstellungen „auf nicht ganz grundrechtskonforme Art und Weise“ durchgeführt worden. Jetzt werde verhindert, dass ganze Datenträger ins Blaue auf Zufallsfunde hin untersucht werden.
Wäre künftig ein Casag-Ermittlungskomplex, der rund um die Tausenden Chats von Thomas Schmid ausgerollt wurde, möglich? Es wäre „aufwändiger, aber nicht ganz ausgeschlossen“, dass die Staatsanwaltschaft auf die Spuren gekommen wäre, glaubt Kert im OÖN-Gespräch. Bei Hinweisen auf neue Straftaten in den eingeschränkt sichergestellten Daten kann die Justiz wieder eine richterliche Bewilligung für einen neuen Zeitraum beantragen.
In der großen politischen Diskussion habe eine Seite ursprünglich versucht, die Möglichkeiten für Zufallsfunde ganz zu unterbinden.
Für Kert hat sich das Gesetz deshalb „über den Sommer gut entwickelt“. Bei den Handysicherstellungen habe die Öffentlichkeit außerdem „immer die großen politischen Korruptionsfälle“ vor Augen. Im Regelfall gehe es aber „um das Handy des Drogendealers“. Und da sei bei „Gefahr in Verzug“ immer noch ein schnellerer Zugriff möglich.
Die Befugnisse der Staatsanwaltschaft blieben erhalten und die richterliche Bewilligung sei im Sinne der grundrechtlichen Vorgaben von VfGH und Europäischem Gerichtshof notwendig. Weniger sprach Andres Ritter, Europäischer Vize-Generalstaatsanwalt, von einer „überschießenden“ Neuregelung. Problematisch sei, dass die Ermittler im Vorhinein Dateninhalte, die man sucht, umschreiben müssten: „Man hat ja keine Kristallkugel“.