Von der Aschenbahn in den Marathon-Olymp: Kipchoge lief in neue Dimensionen
WIEN. Patrick Sang, Olympia-Zweiter 1992 über 3.000 Meter Hindernis, kennt Eliud Kipchoge seit 18 Jahren.
Dieser habe ihn als 16-Jähriger um einen Trainingsplan ersucht. "Ich kannte ihn nicht, aber nach mehrmaligem Bitten habe ich ihm einen Zwei-Wochen-Plan gegeben. So begann es", erinnerte sich der Coach, der den Marathon-Star auch auf dem Weg zur schnellsten Marathon-Zeit in Wien betreute.
"Ich frage mich, was passiert wäre, wenn ich damals auf der Aschenbahn Nein gesagt hätte", sagte Sang in einem Bericht auf der Website der Ineos 1:59 Challenge. Das millionenschwere Projekt, finanziert und perfekt vorbereitet vom britischen Chemie-Konzern Ineos und umgesetzt auch dank der Organisatoren des Vienna City Marathons, wurde am Samstag in Wien mit einer weiteren Sonderleistung von Olympiasieger und Weltrekordler Kipchoge zu einem vollen Erfolg. Der 34-jährige Kenianer blieb auf einem Rundkurs im Prater in 1:59:40,2 Stunden als Erster unter der Zwei-Stunden-Marke.
Wie erste Schritte auf dem Mond
Im Vorfeld hatte Kipchoge die Bedeutung eines möglichen Erfolges mit den ersten Schritten auf dem Mond verglichen. Nach seinem Lauf formulierte er es anders. "Heute sind wir zum Mond gegangen und kamen auf die Erde zurück", meinte der Langstrecken-Star und wollte sich nicht als größten Läufer aller Zeiten bezeichnen. Immer wieder betonte er jedoch sein Ziel, die Menschen mit seinen Leistungen inspirieren zu wollen und zu beweisen, dass alles möglich sei. "Grenzen sind nur im Kopf, das muss man wegklicken", meinte Kipchoge.
Der Gewinner von zehn Stadt-Marathons in Europa - in seinem zweiten Rennen 2013 war er Zweiter, seither folgten neun Siege in Serie - lebt mit Gattin Grace und drei Kindern in Eldoret und trainiert im rund 40 km entfernten Camp in Kaptagat. Dort ist Kipchoge der "Boss". Die gemeinsame Vorbereitung im NN Running Team ist ihm enorm wichtig. "Alleine könnte man nicht solche Leistungen bringen", bekräftigte der Ex-Bahn-Weltmeister im 5.000-m-Lauf.
Gemanagt wird die Gruppe um den Star Kipchoge vom Niederländer Jos Hermens. Dessen Firma Global Sports Communication vertrauen u.a. auch Kenenisa Bekele und Haile Gebrselassie. Das Trainingslager in Kaptagat wird vom Ausrüster Nike und von Ineos finanziert. Der britische Chemie-Konzern engagiert sich dank Firmenchef Jim Ratcliffe seit einiger Zeit verstärkt im Sport (Rad-Team Ineos/früher Sky, Fußball-Clubs OGC Nizza und Lausanne, Segel-America's-Cup).
Der ansonsten eher medienscheue Milliardär Ratcliffe war in Wien selbst dabei. "Ich habe vorher gespürt, dass Eliud fest daran glaubt. Es gibt keine Garantien, aber er hat einen außerordentlichen Tag gehabt. Die letzten 30 Sekunden und die letzten 400 Meter werde ich nie vergessen", erklärte Ratcliffe.
Der vierfache Tour-de-France-Sieger Christopher Froome wurde wie sein Teamchef David Brailsford Augenzeuge des bisher schnellsten Laufs über die 42,195 km. "Eliud hat bewiesen, dass man auch große Hindernisse überwinden kann. Er ist eine Inspiration für viele Menschen", sagte der in Kenia geborene Froome.