Volle Offensive auf der Schanze der Österreicher
BISCHOFSHOFEN. Tournee-Entscheidung: Kobayashi, Wellinger oder doch Hörl?
Auf dem Papier wird der Kampf um den Goldenen Adler bei der 72. Vierschanzentournee zu einem Duell zwischen dem vor dem Finale in Bischofshofen am Samstag (16.30 Uhr, ORF 1) führenden Japaner Ryoyu Kobayashi, der dieses Event schon zwei Mal gewonnen hat (Grand Slam 2018/19, 2021/22), und dem deutschen Herausforderer Andreas Wellinger, der 4,8 Punkte zurückliegt.
Dahinter folgt eine bärenstarke rot-weiß-rote Flugstaffel – allerdings mit Respektabstand. Es wäre ein Wunder, sollte Bergisel-Champion Jan Hörl 23,6 Zähler – das sind umgerechnet 13 Meter – wettmachen. Doch der Lokalmatador lässt nichts unversucht. "Es ist viel, aber die Tournee hat eigene Gesetze. Es kann viel passieren, abschreiben tue ich es noch nicht", betonte der 25-Jährige.
Wohl wissend, dass die Paul-Außerleitner-Schanze im Pongau den Österreichern wie keine andere Tournee-Destination liegt. 24 Siege sprangen hier seit 1954 heraus. Den Anfang hatte der legendäre "Buwi" Bradl gemacht, Größen wie Baldur Preiml (1964), Karl Schnabl (1975), Toni Innauer (1976), Hubert Neuper (1982), Ernst Vettori (1986), Andreas Felder (1991), Andreas Goldberger (1993, 1995), der jetzige ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl (1999, 2000), Gregor Schlierenzauer (2007, 2013), Thomas Morgenstern (2010, 2012) oder der in der aktuellen Tournee auf Rang fünf liegende Theninger Michael Hayböck (2015) fuhren ebenfalls auf der Straße der Sieger.
Warum nicht auch Hörl oder Stefan Kraft, der nächste "local hero", der in Oberstdorf als großer Favorit gestartet ist und jetzt als enttäuschter Gesamt-Vierter auf der Lauer liegt? 33,8 Punkte auf Kobayashi sind des Guten zu viel. "Die Tournee ist weg, Innsbruck war die Vorentscheidung, der Bergisel hat es nicht gut mit mir gemeint", sprach der 30-jährige Weltcup-Spitzenreiter die Windlotterie, die zu seinen Ungunsten geendet hatte, an.
Ein Fest mit 15.000 Fans
Trotzdem ist ein Skisprung-Fest in Bischofshofen, wo sie die Anlage nach einem Schneerutsch im Blitztempo wieder in Schuss gebracht haben, garantiert. An die 15.000 Fans werden erwartet – viele aus Deutschland, die Wellinger beide Daumen drücken. Dennoch spricht mehr für Kobayashi, der noch keine Schwäche gezeigt hat. Ein Tagessieg fehlt ihm zwar bei dieser Tournee noch, aber der ist nicht Bedingung, um zu triumphieren. Siehe Janne Ahonen (Fin) anno 1999.
Kobayashi ist ein eher ruhiger Zeitgenosse, Hörl hingegen ein echter "Schmähbruder". "Jan ist ein irrsinnig witziger Kerl", berichtet Coach Widhölzl über jenen "Adler", der sich nach seinem Bergisel-Coup mit zwei Bierchen begnügt hatte. Vielleicht werden es nach Bischofshofen ein paar mehr sein.