Anwälte und Notare geben Rechtssicherheit, überprüfen und bewerten die Rechtslage. Das kann keine KI. Aber sie wird die Art und Weise, wie Anwältinnen und Notarinnen arbeiten, wahrscheinlich verändern. Die KIs – also beispielsweise ChatGPT, Bing oder Bard – haben das Potenzial, im Recht viele Aufgaben zu automatisieren, die derzeit von Anwälten ausgeführt werden. Kanzleien können sich mit ChatGPT das Leben einfacher machen und effizienter arbeiten, wenn sie den Chatbot richtig einsetzen.
Was Kl nicht kann
ChatGPT ist keine Juristin und kein Jurist und kann kein Jura. Es hat keine Modelle von juristischen Problemen oder juristischen Argumentationen und kann nicht denken. Es kann aber juristischen Text umformulieren, ausformulieren, zergliedern und beantworten. Alles, was es ausgibt, erzeugt es anhand von Wahrscheinlichkeiten und vorhandenen Datenbeständen. ChatGPT berechnet, was die wahrscheinlichste Antwort ist, die einem Nutzer oder einer Nutzerin gefällt und die dieser bzw. diese brauchbar finden wird.
Das Ganze ist keine juristische Suchmaschine und keine juristische Datenbank. Es ist vielmehr ein Werkzeug zur Bearbeitung und Erzeugung von Texten.
Was ist der Unterschied zu BingChat?
Der Chatbot von Bing, Bing- Chat, gibt kürzere Antworten als ChatGPT, hat aber den großen Vorteil, dass er im Gegensatz zu ChatGPT live das Internet durchsucht und zurate zieht. ChatGPT ist datentechnisch aktuell auf dem Stand von April 2023 und kann mithilfe einer Erweiterung auch das aktuelle Internet mit Bing durchsuchen – diese Browsing- Funktion steht allerdings nur für ChatGPT-Plus-User zur Verfügung.
Man kann in BingChat auch mit einem SplitScreen Websites verarbeiten, ob Gerichtsurteile oder auch Kommentare aus juristischen Datenbanken. Da mittlerweile auch viele juristische Texte und vor allen Dingen Urteile der Gerichte online abrufbar sind, ist hier häufig eine höhere juristische Genauigkeit erzielbar. Man könnte selber überprüfen, ob man die von BingChat erzeugten Links und die darin enthaltenen und auch von dem Bot benutzten Inhalte für plausibel, reputabel und nützlich hält.
Auf der anderen Seite ist die Stärke von ChatGPT im Vergleich zu BingChat, dass ChatGPT größere juristische Textmassen bearbeiten kann. Das heißt, man kann sich auch lange Texte zusammenfassen lassen, anderen Argumenten gegenüberstellen, eine Gegenposition formulieren etc.
Wird ChatGPT die Anwaltschaft abschaffen?
In dieser Form können ChatGPT & Co. die Anwaltschaft nicht abschaffen. Allein schon deswegen, weil damit nur Text erzeugt, gelesen, analysiert, gegliedert, umgeformt und dergleichen wird.
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der anwaltlichen Tätigkeit. Wichtig ist vielmehr, im Rahmen der Rechtsberatung, aber auch im Rahmen der Rechtsprechung herauszufinden, was eigentlich wirklich passiert ist. Die Erstellung und Erzeugung des Sachverhalts als Text erfordert eine Untersuchung der Wirklichkeit, selbstverständlich anhand juristischer Kriterien (das Wichtige vom Unwichtigen trennen, wie es heißt).
ChatGPT scheitert regelmäßig daran, die Wirklichkeit zu erfassen. Sie müssen die Welt der Wirklichkeit erst in Text gießen oder woanders einen Text dazu finden, um mit dem Bot zu arbeiten. Diese Bots sind auch nicht wirklich juristisch kreativ, sondern geben im Prinzip nur das wieder, was sie an juristischen Argumentationen und juristischen Texten finden.
Es hapert noch in einigen Bereichen, insbesondere hinsichtlich des menschlichen Sachverstands kann der Chatbot noch nicht mithalten. Es ist keinesfalls empfehlenswert, sich ungeprüft auf die Aussagen des Bots zu verlasssen.