Die Ziege ist ein neugieriges und geselliges Tier. Vor allem aber ist die Namenspatronin des St. Valentiner Lokals Capra (lateinischer Begriff für Ziege, Anm.) eines: eine Meisterin der Anpassungsfähigkeit. Und genau das trifft auch auf Eigentümerin Helena Jordan zu. Sie hat bewiesen, dass sie offen ist für Neues, nicht nur, was die Auswahl der Weine angeht.
Seit der Geburt des Capra im Juni 2023 hat sich viel geändert. Können Sie diese Zeit für uns kurz Revue passieren lassen?
Im Rückblick verstehe ich selbst nicht ganz, wie ich das alles geschafft habe. Das erste halbe Jahr hatten wir fünf Tage pro Woche offen, vier davon von neun bis 22 Uhr. Das Geschäft war aber spärlich.
Im Nachhinein kann ich darüber scherzen und sagen, dass wir wohl erforschen wollten, wie der Markt zu den jeweiligen Uhrzeiten aussieht. In Wahrheit aber habe ich naiverweise wirklich geglaubt, dass es für alle Tageszeiten ein Publikum geben wird. Das hat sich als falsch herausgestellt.
Im zweiten halben Jahr hat sich dann einiges getan.
Richtig, da gab es einen großen Umbruch, was das Team anbelangt. Sebastian kam hinzu, um die Küche auf Vordermann zu bringen. Wir luden Gastköche und -köchinnen und Winzer und Winzerinnen ein, stellten uns wirklich auf den Kopf. Trotzdem kam selbst nach einem Jahr immer noch Feedback wie „Ich wusste ja gar nicht, dass man bei euch essen kann!“ oder „Warum gibt es bei euch kein Frühstück? Dann würde ich viel öfter kommen!“ Das war manchmal schon frustrierend.
Ins zweite Jahr starteten wir dann aber viel positiver. Es folgten Berichterstattungen renommierter Zeitungen, in denen die Küche gelobt wurde. Das zog – zusätzlich zu unserem geschätzten Stammpublikum – neue, kulinarisch affine Gäste an.
Wie wird die Capra-Version der Zukunft aussehen?
Einer unserer Leitsprüche ist „Alpha Beta Capra“. Wir sind Alphatiere. Wir sind laut. Wir sind vielleicht manchmal anstößig. Aber das alles ist immer eine Beta-Version des Capras. Wir sind sozusagen in Entwicklung. Die Erlaubnis, Sachen zu ändern, hab ich mir mit diesem Leitspruch von Anfang an erteilt. Das war extrem befreiend und ließ mich große Entscheidungen treffen. Die aktuelle Version des Capra gefällt uns sehr gut.
Einmal im Monat wird der Sonntag zum Verkostungstag. Sebastian liebt es, dafür – neben dem Tagesgeschäft – ein Menü zu kochen. Und ich brauche die Abwechslung. Ohne diese Events wär es wahrscheinlich einfacher, aber auch langweiliger.
Welche Art von Atmosphäre oder Gefühl möchten Sie Ihren Gästen vermitteln?
Ich möchte ein heimeliges, gemütliches Gefühl auslösen, gepaart mit einer Prise „fancy“. Zu mir kommen die Radfahrer und -fahrerinnen noch im Dress auf ein paar Bier, die ersten Dates auf einen Kaffee. Paare, die Hochzeitstag feiern, auf ein dreigängiges Menü, Weinliebhaber und -innen auf eine Carte Blanche mit vier Flaschen und Familien mit Kindern, die extra Liebe von uns bekommen.
Wir möchten ein Ort für sie alle sein, vor allem aber ein Ort des Vertrauens. Bei uns kriegt man nie was Schlechtes.
Was bedeutet das Capra für Sie persönlich?
Das Capra ist mein Baby und es ist auch mein Wohlfühlort. Wie gern wäre ich Stammgast hier (lacht).