Im Jahr 2023 traten 3.374 Unternehmen vor den Insolvenzrichter, ein Anstieg um 16 % im Vergleich zum Vorjahr. Die vier oberösterreichischen Insolvenzgerichte in Linz, Wels, Steyr und Ried im Innkreis hatten persönlichen Kontakt mit 573 Unternehmern. Deuten die Zahlen auf eine Insolvenzwelle im Jahr 2024 hin? Es sieht danach aus. In den Jahren 2020 und 2021, während der Coronakrise, wurden am Landesgericht Ried im Innkreis 21 bzw. 19 Insolvenzverfahren eröffnet. Im Jahr 2022 stieg die Zahl mit 36 Verfahren wieder auf das Niveau vor der Krise. Ein Anstieg um 22 % bringt die Zahl im Jahr 2023 auf 44 Insolvenzen in der Region. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres gab es bereits 12 Insolvenzen. Das könnte bis zum Jahresende auf 70 Insolvenzen steigen – ein weiterer Anstieg von fast 60 %.
„Die Gründe sind vielfältig“, erklärt Robert Tremel von der Rieder Wirtschaftskanzlei LEX3. „Stundungen aus der Coronazeit, gestiegene Strompreise oder hohe Zinsen stellen Herausforderungen dar.“ Dieselben Gründe führen auch zu einer geringeren Nachfrage von Kunden, was Branchen wie dem Baugewerbe schadet. „Die psychologische Komponente ist jedoch nicht zu unterschätzen“, erklärt der Insolvenzrechtsexperte. „Viele Unternehmer mussten wegen Corona den Gürtel enger schnallen und haben auf bessere Zeiten nach der Krise gehofft. Dann fressen die Zinsen die Gewinne auf und die Motivation fehlt. Statt mit dem Gesellschaftsrechtsexperten Jürgen Edtbauer die Übergabe an die nächste Generation zu planen, beschäftigt sich der Firmengründer mit der Abwicklung seines Unternehmens.“
Robert Tremel rechnet damit, dass die Zahl der Insolvenzen im Innviertel in diesem Jahr einen Höchststand von mehr als 50, wahrscheinlich mehr als 60 erreichen wird. Er verfügt über Erfahrung sowohl als Vertreter von Unternehmern als auch als Insolvenzverwalter in Großinsolvenzen. Solche Insolvenz mit Passiva von mehr als zehn Millionen Euro sind auch im Innviertel wieder anhängig und auch für die kommenden Monate nicht auszuschließen.
„Die Frage sollte jedoch nicht lauten, wie viele Insolvenzen es gibt, sondern vielmehr, wie viele Unternehmen nach den Insolvenzverfahren nicht mehr existieren“, so Tremel. Denn das österreichische Insolvenzrecht gilt im europäischen Vergleich als Erfolgsmodell. Es kennt nicht nur das Konkursverfahren, das mit der Liquidation endet, sondern auch das Sanierungsverfahren, das darauf abzielt, den Unternehmensfortbestand durch einen Schuldenschnitt zu sichern. Das Insolvenzverfahren muss nicht das Ende bedeuten. „Das rechtzeitige Erkennen der Krise und die Beratung durch Experten sind der erste Schritt“, empfiehlt der Experte für Vertragsrecht Karl Weinhäupl.
Immerhin 30 % der österreichischen Insolvenzverfahren enden mit einem Sanierungsplan. In diesen Verfahren haben also die Gläubiger einem Weiterbestand des Unternehmens zugestimmt. „Durch die Zusammenarbeit mit Steuerberatern, Finanzierungsexperten, Gutachtern oder gegebenenfalls Medienexperten kann eine nachhaltige Sanierung erreicht werden“, weiß Tremel über das Netzwerk der Kanzlei LEX3 Bescheid.
Eine Rekordzahl an Insolvenzen ist zu erwarten. Das Ende für das Unternehmen muss das nicht sein, wie eine Innviertler Erfolgsgeschichte zeigt: Eine 1934 gegründete Schlosserwerkstätte in Mattighofen ging Anfang der Neunzigerjahre als KTM AG in Insolvenz. Die daraus entstandenen Unternehmen für Motorräder und für Fahrräder sind heute Vorzeigebetriebe der Region.