Der Juni ist wiedergekommen. Und mit ihm rückte in Urfahr im Vorjahr eine uralte Heilige, die lange Zeit in der Kirche verdrängt und unterdrückt worden war, in den Mittelpunkt. Denn im Zuge der Umsetzung der neuen Pfarrstruktur vor eineinhalb Jahren ist aus dem Dekanat Linz-Nord die Pfarre Urfahr geworden. Und als Patronin der Großpfarre hat man sich auf die heilige Junia geeinigt.
Eigentlich wissen wir von dieser Heiligen nicht mehr als einen Gruß, den ihr der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer ausrichten lässt: „Grüßt Andronikus und Junia, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie ragen heraus unter den Aposteln und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt“, lautet der entsprechende Satz in der 2016 publizierten neuen Einheitsübersetzung des Briefs an die Römer. In fast allen älteren Bibelübersetzungen ist an dieser Stelle von zwei Männern die Rede: von Andronikus und Junias.
Das Problem liegt im griechischen Urtext. Dort steht: „Grüßt Andronikon und Junian.“ Bei „Andronikon“ ist das Geschlecht eindeutig. Andronikos ist ein häufig vorkommender griechischer Männername, der im Gruß als „Andronikon“ im Akkusativ steht. „Grüßt Junian“ ist ebenfalls ein vierter Fall. Wie der zugehörige erste Fall lautet, ist das Problem: Junia oder Junias? Die Theologin Bernadette J. Brooten bewies schon vor etwa 50 Jahren, dass der Akkusativ „Junian“ erst seit dem 14. Jahrhundert als Männername interpretiert wurde. Das geht auf den einflussreichen Thomas-von-Aquin-Schüler Ägidius von Rom zurück, der um 1300 die weibliche „Junia“ zu einem Mann namens Junias machte. Ob aus Irrtum oder mit Absicht, weiß man nicht. Bis dahin hielten fast alle Kirchenlehrer Junia für eine Apostelin. Der berühmte oströmische Kirchenvater Johannes Chrysostomus war voll des Lobes über sie: „Wie groß muss die Weisheit dieser Frau gewesen sein, dass sie für den Titel Apostel würdig befunden wurde.“
Das Problem ist, dass wir außer der kurzen Grußformel über Junia überhaupt nichts wissen, nicht einmal Geburts- oder Sterbejahr: Sie war Jüdin wie Paulus. Sie war eine Christin noch vor Paulus, dessen Bekehrung mit etwa 33 nach Christus an gesetzt wird. Sie gehörte zu den ersten Verkünderinnen und Verkündern und wurde daher als Apostelin bezeichnet. War sie eine Sklavin oder eine Frau aus der römischen Oberschicht, war sie eine Märtyrerin, war sie tatsächlich im Gefängnis oder ist das nur als formelhafte Umschreibung ihres irdischen Daseins zu verstehen? Nicht einmal die bei Heiligen so häufigen Legenden gibt es. Eines nur ist sicher: Frauen spielten in der Frühgeschichte des Christentums eine sehr zentrale Rolle, die später verschüttet wurde. Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz.
ALLTAGSDINGE
VON ROMAN SANDGRUBER
Die Pfarre „Urfahr-St.-Junia“ besteht aus den ehemaligen Pfarren Pöstlingberg, St. Magdalena, St. Markus, St. Leopold, St. Josef, Lichtenberg, Heiliger Geist und Christkönig. Am Sonntag, 9. Juni, findet eine Junia-Wallfahrt nach Lichtenberg statt. Zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Bus (Linie 251) – der Abmarsch ist individuell, der Gottesdienst findet jedoch um 10 Uhr in Lichtenberg statt.
Die Kolumnen „Alltagsdinge“ und „Sag ámoi“ finden Sie jeden Samstag in den OÖN
Was man halt so tut ...
„Zán Essn und zán Betn soi má neamd nettn.“
Diesen Spruch hatte vor vielen Jahren Siegfried Steiger an die Mundart-Redaktion der OÖN geschickt. Das Wort „nettn“– also nötigen, zwingen – ist auch der Übergang zu dieser Kolumne, denn auch Maria Pfleger hat uns vor längerer Zeit eine handgeschriebene Liste mit mundartlichen „Tunwörtern“ geschickt, aus der wir regelmäßig Wörter erklären.
muakön
kauen
meamön
schimpfen
mampfm
viel essen
mogön
schwindeln
nettn
nötigen, zwingen
nachitökön
nachgehen, folgen
nagebm
nachgeben, schwächer werden
pumpán
klopfen, hämmern
pflánzn
foppen, sekkieren
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SAG ÁMOI | DIALEKT KOLUMNE
VON MANFRED WOLF