Eine dunkle Wolke über dem großen Nachbarn
Sparkassen-Reise nach Nordrhein-Westfalen unter dem Eindruck von Autokrise, Klimawende und Wertewandel.
"Es läuft auch in der Mode nicht mehr rund", sagt Trendscout Oliver Rauh, der früher Marketingchef bei Hugo Boss war. Das Luxussegment schwächelt weltweit, sogar in China. Soziale Medien beginnen unser Selbstbild zu wandeln und uns durch den dauernden Vergleich mit anderen zu stressen. Rauhs Prognose ist daher, dass es Blogger und Influencer künftig schwer haben werden, "wir reden von falschen Werten in einer künstlichen Welt". Auf Dauer werden sich daher Ursprünglichkeit und sogar der Makel als künftiges Schönheitsideal durchsetzen, Perfektion werde passé sein. Neue Werte wie Prüderie, Gemeinschaft, Heimat würden an Bedeutung gewinnen. Sogar bei der Kleidung wird das Leihen oder die Versandleihe anstelle des Kaufens und Besitzens Bedeutung gewinnen.
Kauflaune bei Shopping-Sender
In den drei mächtigen Düsseldorfer Fernsehstudios des zum US-Konzern Liberty-Media gehörenden Homeshopping-Kanals QVC ist allerdings von Kaufflaute nichts zu bemerken. Als die Teilnehmer einer Wirtschaftsreise der Sparkasse Oberösterreich (darunter die Modeschöpfer Silvia Schneider und Gottfried Birklbauer) der Tele-Verkaufsshow von Thomas Rath beiwohnen dürfen, werden pro Minute Artikel um 1500 Euro verkauft, 700 Personen sind hier in Düsseldorf beschäftigt, pro Tag werden bis zu 100.000 Artikel veräußert.
Anderntags ist die Gruppe der Sparkasse bei ihrem Besuch im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen in der Realität angekommen – diese ist von Themen wie Autokrise, Kohleausstieg, Energiewende geprägt. Dazu lässt sich die Bedrohung durch US-Zölle auf deutsche Autos nicht ausblenden. "Die deutsche Autoindustrie ist bei ihrem Umstieg auf neue Antriebsformen spät dran. Wir hoffen sehr, dass dieser Umstieg gut geht", sagte Ministerpräsident Armin Laschet, der Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer, Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner sowie den Welser Bürgermeister Andreas Rabl empfing. Nordrhein-Westfalen hat vor, ein "gigafähiges Internet" über das Land zu ziehen. Dabei sind die Bürger eher zum Anschluss und Ausbau bereit als in Oberösterreich, weil die Qualität des Mobilfunknetzes nicht mit österreichischen Standards mithalten könne. Der Leidensdruck sei größer.
Auf unruhiges Gelände stellt sich auch das Additive Manufacturing Center der voestalpine in Düsseldorf ein. "Wir müssen noch agiler an unseren 50 Standorten in Deutschland sein, weil die Autobranche sich im Umbruch befindet", sagt Geschäftsführer Reinhard Nöbauer, ein gebürtiger Steyrer. "Diese Unsicherheit wird sich nicht so rasch legen." Deutschland ist der größte Einzelmarkt für die voestalpine, in Düsseldorf stellt sie Metallteile aus Metallpulver im 3D-Drucker her, zum Beispiel ein Motorhaubenscharnier, dessen Gewicht durch die bionische Struktur halbiert werden konnte. In Düsseldorf setzt die voestalpine mit 880 Beschäftigten 355 Mio. Euro um.
"Deutschland muss zittern"
In der harten Realität der Konjunkturdaten landete die Sparkassen-Delegation schließlich bei der HSBC-Deutschland-Bank. Volkswirt Stefan Schiller, wortgewandter Star seiner Zunft, wirft Charts an die Wand, die wenig ermunternd sind. Vom Export kommen keine Impulse mehr, die Niedrigzinsphase bleibt uns lange erhalten, die EZB hat keine Munition mehr. Das größte Risiko bleiben Trump und seine Aversion gegen das deutsche Export-Übergewicht. "Deutschland muss deswegen zittern", schreibt die FAZ, die Möglichkeit von Strafzöllen schwebt wie eine Gewitterwolke über Österreichs großem Nachbarn.
Ähnlich sehen das die mitreisenden Vorstandsmitglieder der Sparkasse Oberösterreich, Stefanie Huber und Maximilian Pointner. Huber sieht den heutigen Zentralbankmodus, der früher ein Krisenmodus gewesen sei, "als Normalität". Pointner spricht davon, dass Deutschlands Wirtschaft wieder in eine Vertrauenskrise geraten sei. "Dabei spielt sich viel im Kopf ab." Landeshauptmann Stelzer, der politische Leiter dieser Reise, kündigte beim Treffen mit Laschet an, dass Oberösterreich künftig vermehrt "eigene Außenpolitik" betreiben wolle, dazu gehöre auch rege Besuchsdiplomatie.
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