Teodoro D. Cocca im Interview: „Die Glaubwürdigkeit der Banken ist arg angegriffen“
LINZ. Die Unfähigkeit der EU bei der Bewältigung der Schuldenkrise habe die jüngste Eskalation der Finanzkrise ausgelöst, nicht die Banken, sagt Teodoro D. Cocca, Dekan der SOWI-Fakultät der Universität Linz, im Gespräch mit den OÖNachrichten.
OÖN: Die Banken sind schuld, dass die Finanzkrise neuerlich eskaliert ist, heißt es. Sehen Sie das auch so?
Cocca: Nein, das sehe ich anders. Die Eskalation der Finanzkrise hat mit der Unfähigkeit der EU zu tun, die notwendigen Maßnahmen und Reformen glaubwürdig an die Hand zu nehmen. Was die Menschen auf der Straße allerdings empört, ist der Umstand, dass die Schuldenkrise über eine Bankenrettung gelöst werden soll. Eine Wiederholung der Rettungsmaßnahmen des Jahres 2008 mit dem Einsatz von Steuergeldern wird nicht mehr akzeptiert. Für diese Haltung muss man auch seitens der Finanzwelt Verständnis aufbringen. Es wurde in den vergangenen zwei Jahren die Chance verpasst, zu zeigen, dass die Bankenwelt sich wirklich verändert hat und echte Reformen umgesetzt wurden. Die Glaubwürdigkeit der Branche ist damit arg angegriffen. Die gesellschaftliche Legitimation erodiert zusehends. Eine gefährliche Entwicklung.
OÖN: Wenn nicht die Banken, wer dann?
Cocca: Die Politik, oder etwas differenzierter formuliert: Es will einfach nicht gelingen, die dringend notwendigen Reformen zur Gesundung der Staatsfinanzen durchzuführen.
OÖN: Warum gelingt das nicht?
Cocca: Die Antwort darauf ist einfach und entblößend zugleich: weil die notwendigen Maßnahmen keine demokratische Mehrheit finden würden. So leitet sich die Frage aller Fragen ab: Ist die Demokratie überhaupt in der Lage, eine Mehrheit für Reformen zu finden, welche die Allgemeinheit mittelfristig schlechter stellen? Zweifel sind angebracht. Der tiefe Graben zwischen der Politik, deren utopischer EU-Vision und den Wählern führt zu einem noch stärkeren Rückzug der Wähler ins egoistische Nirvana. Jede Lobby-Gruppe ist grundsätzlich fürs Sparen, aber bitte bei den anderen. Die Solidarität innerhalb der einzelnen Länder und zwischen den EU-Ländern schwindet zusehends. Das Vertrauen in den Staat ist unter den Nullpunkt gesunken. Die Wähler kapitulieren innerlich und wenden sich verdrossen von der Politik ab. Die demokratische Lenkung des Systems über die Wählerstimmen ist in der Folge an einem toten Punkt angelangt: Keine Mehrheit wird sich für eine staatliche Sparpolitik entscheiden. Das Resultat ist ein politischer Stillstand, der mehr als nur besorgniserregend ist. Ein demokratisches Dilemma. Vom Marktversagen zum Demokratieversagen.
OÖN: Was halten Sie vom Vorschlag der OECD, die Geschäfts- von den Investmentbanken zu trennen?
Cocca: Das wäre eine Maßnahme, um einen zusätzlichen Schutzwall im System einzubauen. Vor allem würde man damit die hochriskanten Geschäfte von den Spareinlagen trennen. Die Lösung aller Probleme bringt das aber nicht. Auch Geschäftsbanken sind zum Beispiel von der Verschuldungskrise betroffen, da sie hohe Euro-Anleihensbestände halten.
OÖN: Könnte Europa diesen Alleingang wagen?
Cocca: Machbar wäre es.
OÖN: Ist die Finanztransaktionssteuer tatsächlich ein Weg, die Spekulation einzudämmen?
Cocca: In der geplanten Ausgestaltung wird die Wirkung auf Spekulanten gleich null sein. Der Hochfrequenzhandel wird einfach auf andere Finanzplätze ausweichen, und für die großen Spekulationsgeschäfte ist eine Steuer von 0,1 Prozentpunkten völlig irrelevant. In Summe wäre der europäische Kapitalmarkt etwas weniger liquide und damit etwas volatiler als bisher. Ich wundere mich, dass dies das Ziel der Proponenten dieser Steuer ist. Eine Finanztransaktionssteuer ist somit nur „Opium fürs Volk“, eine Reduktion der Spekulation ist eine Illusion. (hn)
So wie unsere Politiker in A agieren, muß sich jeder Staatsbürger als Schwerst-Drogenabhängiger fühlen!
Früher gabs Brot und Spiele fürs Volk! Dies war etwas gesünder mit Ausnahme der zwangsverpflichteten "Spieleteilnehmer"!