Gab es einen Giftgas-Einsatz in Mariupol?
KIEW. Die Lage in der umzingelten ukrainischen und fast zerstörten Hafenstadt Mariupol ist nach wie vor höchst dramatisch. Jetzt gibt es auch noch Gerüchte um einen Giftgas-Einsatz durch russische Truppen.
Die Meldungen über den Einsatz der verbotenen Waffen im Ukraine-Krieg scheinen auf Tatsachen zu beruhen: Kreml-Marionette und Doneszk-Militärführer Eduard Basurin (55) hatte am Montag mit einem Chemiewaffen-Einsatz gedroht. Laut Basurin seien die ukrainischen Kämpfer in die Stahlfabrik Asowstal abgedrängt worden. Ein Kampf um die Befestigungen auf dem Fabrikgelände wäre zu verlustreich.
Die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti zitierte ihn: Man werde Wege finden, die ukrainsichen Truppen wie „Maulwürfe auszuräuchern“. Im Notfall werde man sich dafür „an chemische Truppen wenden“. Nur kurze Zeit später berichtete das ukrainische Asow-Regiment in Mariupol von einem Drohnen-Angriff. Der Flugkörper habe „eine unbekannte Substanz“ über der Stadt abgeworfen.
Den Angaben zufolge litten die getroffenen Personen unter Atembeschwerden und Bewegungsstörungen. Der ehemalige Asow-Kommandeur Andryj Bilezkyj berichtete von drei Personen mit Vergiftungserscheinungen.
Video: Aktuelle Lage in der Ukraine
Selenskyj: „Nehmen das höchst ernst“
Später warnte auch Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) in seiner abendlichen Videoansprache vor einem möglichen Chemiewaffen-Angriff durch Russland. "Wir nehmen das höchst ernst." Ein möglicher Chemiewaffenangriff sollte für ausländische Staaten Anlass sein, noch härter auf die russische Aggression zu reagieren, sagte Selenskyj. Er sagt aber nicht, dass bereits chemische Waffen eingesetzt wurden. Auch der öffentliche-rechtliche ukrainische TV-Sender Suspilne berichtete, dass es noch keine Bestätigung durch offizielle Stellen gebe.
Militärquellen hieltendie Wahrscheinlichkeit eines Chemiewaffenangriffs durch die russische Seite aber für "sehr hoch". Der Sender bemühe sich um eine Bestätigung durch Militär oder Geheimdienst. Den Asow-Angaben zufolge litten die getroffenen Personen unter Atembeschwerden und Bewegungsstörungen.
Auch ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte, es gebe keine Bestätigung für den Einsatz von Chemiewaffen. Sollten die Berichte stimmen, wäre das sehr beunruhigend. Es passe zu Befürchtungen, dass Russland in der Ukraine chemische Mittel zur Unterdrückung großer Menschenmengen einsetzen könnte, so etwa Tränengas gemischt mit anderen Chemikalien, sagte Sprecher John Kirby.
Die westlichen Staaten haben Moskau vor ernsthaften Konsequenzen gewarnt, falls es in dem vor fast sieben Wochen begonnenen Krieg Chemiewaffen oder andere Massenvernichtungswaffen einsetzen sollte. Nach den Berichten aus Mariupol schrieb die britische Außenministerin Liz Truss auf Twitter, man arbeite mit Partnern daran, Details zu verifizieren. Jeder Einsatz solcher Waffen wäre eine Eskalation, für die man den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Führung zur Verantwortung ziehen werde.
Russische Truppen bereiten Offensive im Osten vor
Russische Truppen wollen Angaben aus Kiew zufolge unterdessen mit einer bevorstehenden Offensive bis an die Verwaltungsgrenzen des ostukrainischen Gebiets Donezk vordringen. Russland werde versuchen, die bereits heftig umkämpfte Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer sowie Popasna im Gebiet Luhansk einzunehmen, teilte der ukrainische Generalstab Dienstagfrüh mit. Von dort aus solle ein Angriff auf Kurachowe gestartet werden. Für belagerte Orte sind indes neun Fluchtkorridore geplant.
Derzeit seien die Russen dabei, ihre Truppenverlegung in die grenznahen russischen Gebiete Belgorod und Woronesch abzuschließen. Mit verstärkten Kämpfen im Osten der Ukraine in den kommenden zwei bis drei Wochen rechnet auch der britische Militärgeheimdienst. Russland konzentriere seine Angriffe weiterhin auf ukrainische Stellungen bei Donezk und Luhansk, teilt das Verteidigungsministerium in London auf Twitter mit. Um Cherson und Mykolajiw werde es weitere Kämpfe geben.
Außerdem gebe es einen neuen Vorstoß in Richtung der Stadt Kramatorsk, wo vergangene Woche bei einem Raketenangriff den Bahnhof Dutzende Menschen ums Leben gekommen waren. Die Briten sehen unter Berufung auf ihre Geheimdienste außerdem Anzeichen dafür, dass weitere russische Truppen aus Belarus abgezogen werden - wohl mit der Absicht, sie in der Ostukraine einzusetzen.
Nach ukrainischen Angaben sind am Dienstag neun Fluchtkorridore geplant, darunter auch für die belagerte Hafenstadt Mariupol, teilt Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk mit. Von dort könnten sich Zivilisten mit privaten Fahrzeugen in Sicherheit bringen. Fünf der neun Korridore solle es in der Region Luhansk im Osten der Ukraine geben.
Caritas-Gebäude beschossen
Nach Angaben der Caritas starben sieben Menschen bei einem russischen Angriff in Mariupol. Ein Gebäude der Hilfsorganisation sei von einem russischen Panzer beschossen worden, teilte Caritas Ukraine auf Twitter mit. Ums Leben gekommen seien zwei ihrer Mitarbeiter und fünf Personen, die in der Einrichtung Schutz vor den Gefechten gesucht hätten. "Caritas international" hatte am Montag zunächst von drei Toten und einem Raketenangriff berichtet. "Der Tod von Zivilisten und humanitären Helfern, die sich vorbehaltlos für andere eingesetzt haben, macht uns sprachlos. Wir sind in Gedanken bei den Familien der Toten", sagte der Leiter des Auslandshilfswerks der deutschen Caritas, Oliver Müller.
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