"Mit neuen Gasfeldern schaffen wir 1,5 Grad nie"
BERLIN / SHARM-EL-SHEIK. Bevorstehende Weltklimakonferenz in Ägypten soll Klimaschutz wieder zum globalen Thema Nummer 1 machen
Einerseits hat die Energiekrise in Europa die Klimaschutz-Bestrebungen der EU beschleunigt. Andererseits werden neue Gasfelder erschlossen, Pipelines und Flüssiggasterminals gebaut. "Doch wenn wir die in Paris vereinbarten 1,5 Grad maximaler Klimaerwärmung einhalten wollen, dürfen wir keine fossile Infrastruktur mehr bauen oder bis zum Ende der Lebensdauer nutzen", sagte Niklas Höhne, Leiter des New Climate Institute in Köln, am Donnerstag in einem Online-Expertenbriefing vor der 27. UN-Klimakonferenz, die am Sonntag im ägyptischen Badeort Sharm-el-Sheik beginnt.
Dort werden rund 200 Staaten oder 1000 Verhandler zwei Wochen lang darum ringen, wie die Erderhitzung auf ein noch erträgliches Maß eingedämmt werden kann. Bis zu 45.000 Teilnehmer werden erwartet, so viele wie noch nie. Beobachter erwarten sich keine großen neuen Vereinbarungen von der Konferenz. Doch weitere bilaterale Abkommen wie Hilfen für den Kohleausstieg Südafrikas nach der Klimakonferenz in Glasgow könnten getroffen werden. Sie sind häufig die Basis für größere Klimainitiativen.
Wolfgang Obergassel vom Wuppertal Institut für Klima und Umwelt erwartet sich vom Klimagipfel zumindest, dass Klimaschutz nach Pandemie und Ukraine-Krieg wieder zum politischen Thema Nummer 1 wird, "weil Schäden aus dem Klimawandel existenzbedrohend sind". Als eines der Hauptthemen der Konferenz dürfte sich herauskristallisieren, wie die industrialisierte Welt mit Schäden und Verlusten durch Dürren oder Überschwemmungen wegen des Klimawandels vor allem in armen Ländern umgeht. "Wenn das kein Eklat wird, wäre es schon ein Erfolg", so Lambert Schneider vom Öko-Institut Berlin. Wie viel der zugesagten 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zur Klimafinanzierung ausgezahlt wurden, weiß niemand so genau.
Dass 100 Milliarden US-Dollar allerdings nicht ausreichen werden, da ist sich Österreichs Klima-Allianz, ein Zusammenschluss aus 26 Umwelt-, Entwicklungs- und sozialen Organisationen, sicher. Es brauche eine Verdoppelung. "Die reichen Länder dürfen sich nicht ständig vor der Verantwortung drücken", sagte Joachim Raich, Südwind-Sprecher für Klimagerechtigkeit. Auch die österreichische Bundesregierung müsse im Finanzrahmen der kommenden Jahre Mittel für Schäden und Verluste für ihre internationalen Partner vorsehen, forderte Martin Krenn von der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO). Die EU komme bei Unwetterkatastrophen in ihren Mitgliedsländern auf, das müsse weltweit geschehen.
Der WWF urgierte eine Berücksichtigung des Naturschutzes beim Klimaschutz. Neben Maßnahmen, um die Begrenzung der globalen Erhitzung auf 1,5 Grad zu erreichen, müsste auch der Schutz der Naturräume verankert werden.