"Große Konzerne sind erschreckend oft auf Autopilot"
LINZ. Mit einer Körpergröße von 160 Zentimetern blieb ihr eine Karriere bei der Lufthansa verwehrt: Deshalb heuerte Nicola Winter bei der Bundeswehr an, bis 2018 flog sie Kampfjets wie den Eurofighter. Daneben ist die 39-jährige Mutter einer Tochter ausgebildete Rettungssanitäterin und hat Luftfahrt- und Raumtechnik studiert. Nach einem Abstecher zum Beratungsunternehmen McKinsey ist sie heute als Vortragende tätig.
Auf Einladung der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer und der OÖNachrichten sprach sie beim Industrietag über die Parallelen von Fliegerei und Unternehmertum und ihren großen Traum von einer Reise ins Weltall.
OÖNachrichten: Sie sind Jetpilotin und haben auch Unternehmen gegründet. Was braucht es, um solche Ziele erreichen?
Nicola Winter: Der erste und wichtigste Schritt ist, einfach mal anzufangen. Die meisten Menschen scheitern an ihren eigenen Gedanken. Man muss nicht den ganzen Weg von A bis Z sofort kennen. Es reicht herauszufinden, was der erste kleine sinnvolle Schritt ist, und dann weiterzuschauen.
Aber muss man nicht das große Ganze im Blick haben? Ohne Businessplan gibt es schließlich keinen Kredit von der Bank.
Das stimmt natürlich, einen Businessplan zu schreiben, ist schon einer dieser kleinen Schritte. Es geht darum, etwas zu tun. Rückschläge wird es immer geben, der schönste Businessplan hält in der Realität genau fünf Tage. Viele lassen sich davon entmutigen. Es gibt zwei Arten von Unternehmern, die scheitern: die einen, die zu schnell aufgeben und die, die zu lange durchhalten.
Die Fliegerei ist sehr strukturiert, trotzdem geht es darum, schnell richtige Entscheidungen zu treffen. Wie funktioniert das?
Es gibt Checklisten für jeden Notfall, aber auch dafür, wie ich zu einer sinnvollen Entscheidung komme. Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, muss man erstmal durchatmen. Wenn die Situation mit Fakten, Optionen und Risiken vernünftig analysiert ist, treffe ich eine Entscheidung. Die meisten Unternehmen sind im Analysieren super, kommen aber aus dieser Phase nicht heraus. Sie möchten immer noch mehr Informationen haben, währenddessen vergeht die Zeit und die Situation fährt mit einem Achterbahn.
Was haben Sie als Jetpilotin beim Berater McKinsey erlebt?
Mich hat interessiert, wie große Konzerne arbeiten und Geld verdienen. Ich habe gelernt, dass manche von ihnen nur mit wenig Wasser kochen. Die großen Konzerne sind erschreckend oft auf Autopilot. Die Vorstände kommen eine Viertelstunde zu spät zu einem Meeting. Sie klappen den Laptop auf und hören bei der Präsentation nur mit einem halben Ohr zu. Am Ende wird dann irgendeine Entscheidung getroffen. So jemand hat seine Millionengehälter nicht verdient.
Wo sind beim Fliegen die größten Gefahren und wo beim Unternehmertum?
In der Fliegerei ist die größte Gefahr der Mensch, der von Wahrnehmungsfehlern beeinflusst wird. Etwa: Das ist immer gut gegangen oder der andere hat das auch geschafft. Das ist bei Unternehmen dasselbe. Der Vorteil ist, im Cockpit gibt es viele Warnanzeigen. Größere Unternehmen haben die auch, die belügen sich nur. Aber kleinere Unternehmen wie Handwerksbetriebe haben das oft nicht. Es geht darum, vorher zu überlegen, wann ich welche Aktion ergreife, etwa bei einem gewissen Kontostand.
Sie sind Reserve-Astronautin bei der ESA (Europäische Weltraumorganisation) für Deutschland. Wann fliegen Sie ins All?
Ich habe keine Ahnung (lacht). Irgendwann zwischen 2026 und nie. Es geht heutzutage über zwei Wege: Entweder staatlich, aber die deutsche oder österreichische Bundesregierung interessiert das nicht wirklich. Wir versuchen deshalb, ein kommerzielles Projekt aufzusetzen, unter Beteiligung von Unternehmen, die damit auch Geld verdienen können. Ich gebe diesem Projekt eine 50:50-Chance.
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