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"Wie weit is' denn nu?" ... und warum es sich trotzdem lohnt, die Kinder zu motivieren

Von Manfred Wolf, 12. Oktober 2022, 00:04 Uhr
"Wie weit is’ denn nu?" ... und warum es sich trotzdem lohnt, die Kinder zu motivieren
Unterwegs in der Pyhrn-Priel-Region Bild: OÖTourismus/Stefan Mayerhofer

Wer kennt das nicht? Motiviert wird eine Wanderung geplant, doch dann kommt die Kollision mit der Realität: "Ned scho wieder!", "Is' nu weit?" – Wir geben Tipps, wie’s trotzdem geht ...

Wandern – das Wort ist kaum ausgesprochen, ist von Kindern oft schon ein "Ned scho wieder" zu hören. Dass Wandern gut tut, es ein Erlebnis ist und ohnehin zu viel Zeit drinnen verbracht wird, zählt alles nicht. Wie Kinder zum Wandern motiviert werden können und warum Gehen auch ein schönes Geburtstagsgeschenk sein kann, darüber sprachen die OÖNachrichten mit der Kinder-, Jugend- und Gesundheitspsychologin Isabella Baumgartner. Die 48-Jährige ist passionierte Wanderin, hat zwei Kinder und begleitet Menschen nicht nur durch psychische Täler, sondern auch zu neuen Gipfeln. Aber Vorsicht! Manchmal wollen Eltern schlicht zu viel.

OÖNachrichten: Fangen wir klein an, bei den Tschopperln, die noch nicht selbstständig gehen können. Da haben Eltern oft die Motivation, die Kinder mit dem Zeigefinger durch das Wohnzimmer zu geleiten, obwohl die Kinder noch nicht auf eigenen Füßen stehen können. Was sagen Sie dazu?

Isabella Baumgartner: Darauf gibt es eine konkrete und wichtige Antwort: Das ist ein No-Go! Dieselbe Antwort bekommen Sie übrigens bezüglich Laufwagerl und Hochstühlen, in die die Kinder gesetzt werden, obwohl sie noch nicht sitzen können.

Weil der Bewegungsapparat dem noch nicht standhält?

Exakt. Die Muskulatur baut sich erst langsam auf. Man darf den Kindern mit Hilfsmitteln nur das anbieten, was sie auch ohne Hilfsmittel schaffen würden. Sonst werden die Kinder und ihr Bewegungsapparat überfordert. Kinder zu früh auf die Füße zu stellen, ist ein Wahnsinn für die Knochen, denn die haben die Festigkeit noch nicht. Das gilt es im ersten Lebensjahr zu befolgen. Das Gras wächst ja auch nicht schneller, nur weil man daran zieht. Ganz im Gegenteil.

Ist der Bewegungsapparat stabil, hören Eltern oft "Mi g’freit’s ned", wenn es heißt: "Jetzt gehen wir eine Runde".

Im Herbst ist es ja überall wunderschön – auch in den Städten oder in Stadtnähe. Da lassen sich die Kinder schon motivieren – zum Beispiel mit Kastanien sammeln. Oder nehmen Sie ein Messer mit, gehen Sie in den Wald und schnitzen Sie etwas. Was jetzt, wenn die Tage wieder kürzer werden, auch sehr klass’ ist für die Kinder, ist ein Abendspaziergang. Wenn die Kinder von der Schule nach Hause kommen und die Hausübung gemacht haben, ist es finster, da glauben viele Eltern, jetzt kann man nicht mehr rausgehen. Aber gerade das ist ja ein Abenteuer. Nehmen Sie eine Stirnlampe oder Laterne und gehen Sie mit den Kindern durch den Wald. Sie können auch um halb neun noch eine halbe Stunde rausgehen. Es ist etwas anderes, wenn ich mich am Abend, bevor ich den Fernseher einschalte, noch bewegt habe.

Welche Tricks können Sie noch empfehlen, um Kinder zum Gehen und zum Wandern zu motivieren?

Laden Sie einen Freund oder eine Freundin Ihres Kindes dazu ein. Das ist übrigens auch für die Erwachsenen gut, weil zum einen den Kindern nicht fad wird und zum anderen die Erwachsenen nicht permanent den Kasperl für die Kinder machen müssen. Oder borgen Sie sich von Bekannten einen Hund aus, wenn Sie selbst keinen haben. Mit dem Hund laufen die Kinder von alleine.

Die Kinder werden größer und die Spaziergänge zu Wanderungen. Es ist dann oftmals ein Spagat, die Kinder nicht zu über-, aber auch nicht zu unterfordern.

Darauf muss man als Erwachsener achten. Das kann sich zu einem Trauma auswachsen. Es gibt Menschen, die als Kind permanent wandern mussten und heute überhaupt nicht mehr auf einen Berg gehen wollen. Aber für Kinder ist es schon ein Erlebnis, eine Bergtour zu machen. Auch wenn sie beim Raufgehen sudern und fragen, wie weit es noch ist. Wenn sie dann oben stehen, etwas geschafft haben, dann ist die Freude groß. Aber man muss individuell auf die Kinder eingehen. Ich konnte mit meinen Kindern auch nicht immer das gleiche Programm machen. Es gibt Kinder, die können mit sieben Jahren locker auf einen Berg gehen, anderen fehlt mit elf noch die Trittsicherheit. Dieser Tourenanforderungen muss ich mir als Mutter oder Vater bewusst sein. Ein Neunjähriger kann fünf-, sechshundert Höhenmeter gut schaffen, aber tausend Höhenmeter gehen sich halt nicht mehr aus. Wichtig ist, Guzis dabei zu haben. Und ausreichend Wasser und Verpflegung. Auch eine Alm dazwischen, wie die Gowilalm auf dem Weg zum Kleinen Pyhrgas, ist ein Erlebnis. Es muss aber auch die Option geben, die Tour abzubrechen.

Also nicht durchpeitschen.

Damit vergälle ich den Kindern die Freude. Man muss die Kinder im Leben eh so oft zu etwas drängen oder hinten anschieben, in der Schule oder bei Regeln – das muss nicht draußen in der Natur passieren.

Erinnerungen an die Bergtouren mit den Eltern und Großeltern sind ja auch später im Leben etwas Schönes.

Ja. Eine Bergtour, ein Gipfelerlebnis, ein Gipfelfoto, das ich mir später ansehe, oder die Jause beim Gipfelkreuz – das sind schöne Erinnerungen. Für Kinder im Schulalter – für manche auch schon früher – haben wir übrigens einen der schönsten Berge, den Kleinen Sonnstein in Traunkirchen. Der hat nur knapp 500 Höhenmeter, man wandert gemütlich durch den Wald und am Ende gibt es eine leichte Kraxlerei, die für Kinder, wenn die Eltern hinten nachgehen, gut bewältigbar ist. Und zur Belohnung gibt es dann einen Blick zum Traunstein, zum Erlakogel und auf den Traunsee. Die Kinder stehen dann da oben und strahlen.

Dieses Strahlen ist dann die Belohnung – für die Kinder und für die Eltern, die die Frage "Wie weit ist es denn noch" schon zig mal beantworten mussten ...

Ja, das Erfolgserlebnis, die Endorphinausschüttung. Aber man muss aufpassen, denn sobald die Kinder in der Pubertät sind, wollen sie nicht mehr auf den Berg gehen, da täte ihnen zwar die Bewegung gut, aber da liegen sie lieber im Bett und schauen aufs Handy. Das ist dann eine Herausforderung für die Eltern, den Mittelweg zu finden zwischen motivieren und akzeptieren, dass die Kinder auch einmal ihre Ruhe wollen.

Ein Lernprozess für Eltern.

Kommen Sie den Teenagern entgegen. In meiner Praxis liegt das Buch "Die tun nicht nichts, sie liegen da und wachsen". Jugendliche brauchen auch Zeit zum Herumliegen, damit die neuronalen Verknüpfungen ausreifen können. Trotzdem braucht es einen Bewegungsausgleich. Da kann man als Mama und Papa sagen: "Du musst nicht immer mit, aber es gibt Zeitpunkte, da machen wir das." Das kann man sich zum Geburtstag wünschen, zum Vater- oder Muttertag. Einmal im Monat oder alle zwei Monate machen wir was gemeinsam in der Natur. Diesen Kompromiss kann auch ein 13-jähriges pubertierendes Kind eingehen.

Heute sehen wir am Handy, wie viele Schritte wir gegangen sind. Waren es zu wenig, gehen wir im besten Fall noch eine Runde. Vor 40, 50 Jahren wären Sie gefragt worden: "Geht’s dir noch gut?". Denn damals waren die Menschen ohnehin permanent auf den Beinen, teils sind die Kinder eine Stunde zur Schule gegangen. Verweichlichen wir unsere Kinder heute?

Ja. Ich erlebe das in der Praxis, dass Kindern verwehrt wird, dass sie selbstständig zur Schule gehen oder mit dem Bus nach Linz fahren dürfen. Man nimmt den Kindern dadurch wichtige Entwicklungsmöglichkeiten.

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Autor
Manfred Wolf
Ressortleiter Lokales
Manfred Wolf

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