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Wiener Blut sprudelt in Bad Ischl

Von Von Michael Wruss, 13. Juli 2009, 00:04 Uhr
Wiener Blut sprudelt in Bad Ischl
Das Ballett trug zum großen Erfolg des Operettenabends bei. (Hofer) Bild: Hofer

„Es ist alles nur Chimäre, aber mi unterhalts“ – der an diesem Abend bei der etwas ausufernden Eröffnung der Lehár-Festspiele Bad Ischl häufig zitierte Couplet-Refrain aus Nestroys „Die Papiere des Teufels“ wurde tatsächlich zum Motto des Abends, ja des ganzen Festivals, das mit „Wiener Blut“ begann.

In der griechischen Mythologie ist die Chímaira Schwester der ebenfalls kunterbunt gemischten Wesen Sphinx, Hydra und Kerberos. Die Biologie kennt sie als ein einheitliches Individuum, das aus genetisch unterschiedlichen Zellen aufgebaut ist. Genauso ein Zwitterwesen unterschiedlichster Genres ist die Operette, deren tatsächlich wahres Mekka in Bad Ischl zu finden ist.

Nämlich genau aus diesem Grund. Weil hier dem vielköpfigen, oft undurchsichtig verworrenen, manchmal seicht angenehmen Unterhaltungstheater des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts Rechnung getragen und es mit aller Wertschätzung weder museal gehütet, noch intellektuell aufgemotzt, sondern einfach stimmig auf die Bühne gebracht wird.

Handlung vorverlegt

Selbst bei einem Werk, bei dem der vermeintliche Komponist Johann Strauß seine Finger gar nicht im Spiel gehabt hatte. „Das Wiener Blut“ ist ein Pasticcio, ein von Victor Léon und Leo Stein zusammengewürfeltes Konstrukt und eigentlich unter Verwendung der Strauß’schen Melodien eine Komposition Adolf Müllers jun., und hier schließt sich der Kreis zum Wiener Volkstheater, was ja diese Operette im besten Sinn ist.

Regisseur Wolfgang Dosch hat zwar die Handlung in die Mitte des vorigen Jahrhunderts verlegt, was weder stört noch tiefere Erkenntnis bringt, jedoch den biedermeierlichen Schnickschnack hintanlässt. Trotzdem sind die von Bernhard Niechotz entworfenen Szenerien und Kostüme opulent und dem Sujet entsprechend.

Das Wienerische war zentral

Viel wesentlicher als die Zeit und optische Gestalt der Handlung sind die ausgefeilte Personenregie, die perfekt studierten Dialoge und die mitunter sehr amüsanten Gags. Wiederum zeigt sich hier die Nähe zum Schauspiel und die Bedeutung der gesprochenen Szenen. Sind die nämlich radebrechend flach, dann hilft auch die schwungvollste Musik dem Vehikel nicht auf die Beine. Und das scheint man in Bad Ischl erkannt zu haben, dass Operette nicht von der Musik, sondern tatsächlich vom Schauspiel her aufgezäumt gehört – waren ja doch auch die meisten früheren Operettenstars weitaus bessere Schauspieler als Sänger. Erfreulich auch, dass das Wienerische an diesem Abend die zentrale Sprache war.

Musikalisch war die Aufführung ein mindestens ebenso großer Erfolg wie die szenische Umsetzung. Das Franz-Lehár-Orchester spielte unter Marius Burkert schwungvoll auf, ließ aber so manches subtile Detail vermissen. Auch wenn’s kein echter Strauß ist, hat Adolf Müller genügend Feinheiten platziert, denen man mehr Aufmerksamkeit widmen könnte.

Vielfältige Ratzenböck

Das Ensemble war hingegen erfreulich homogen und deckte vor allem schauspielerisch perfekt die Rollen ab. Allen voran Christa Ratzenböck, die als Gräfin Gabriele eine ganz andere Seite ihrer Kunst präsentierte und stimmlich zeigte, wie vielfältig man scheinbar allbekannte Walzermelodien phrasieren kann.

Ebenso klangvoll und spritzig lebendig in der Darstellung das Buffopaar, das mit Theresa Grabner und Robert Maszl hervorragend besetzt war. Dem Komödiantischen freien Lauf lassend polterte Franz Suhrada als Ringelspielbesitzer Kagler mit fein poliertem Witz über die Bühne und begeisterte Ernst-Dieter Suttheimer als hingebungsvoll preußelnder Reuß-Schleiz-Greizischer Premierminister. Etwas tief in die wienerische Gosse griff Karl Herbst als Fiaker, was aber das Publikum umso mehr amüsierte.

Weniger brillant war die Cagliari von Petra Halper-König, die zwar sehr sympathisch, aber stimmlich nicht ganz so souverän über die Rampe kam. Ähnliches auch bei Eugene Amesmann, dessen Graf Zedlau etwas steif und sängerisch angestrengt wirkte. Chor und Ballett taten ihr Übriges und trugen ebenfalls zum großen Erfolg bei.

Es ist halt doch alles nur Chimäre – Trugbild –, aber diesmal unterhielt sie nicht nur das Publikum, sondern gefiel auch begeisterungswürdig.

Termine: 19., 22., 24. und 31. Juli, sowie 2., 6., 8., 13., 15., 22. und 28. August (jeweils 20 Uhr), am 5. und 30. August um 15.30 Uhr. Tel.: 06132 - 238 39, www.leharfestival.at.
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